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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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und Untergang, die Tageszeit –«
    »Das ist die Aufgabe der Priester, Liebes.«
    »Und warum sollte ich nicht einmal eine Priesterin werden?« Flink wandte sie sich an Cinna, ohne eine Antwort abzuwarten. »Ist es so, Cai?«
    Thauris hatte aus Swinthas Hand einige Stoffbahnen in Empfang genommen und sie auf dem Tisch ausgebreitet. Ihre Augen schimmerten warm, während ihr Blick auf dem Mädchen ruhte, und sie schüttelte leicht den Kopf.
    Unversehens trat Liuba ein, und mit ihm flog ein eisiger Hauch in den Raum. Flink huschte Saldir hinter den Vorhang, der die Nische der Mädchen verbarg.
    »Wo ist Vater?«, rief er. »Ein Bote des Ermanamers ist eingetroffen.«
    »Ich weiß es nicht. Du wirst ihn suchen müssen«, erwiderte Thauris.
    Liuba querte den Raum bis zur Feuerstelle, wo er sich keinen Schritt von Cinna entfernt aufbaute, die Fäuste in die Hüften stemmend. Als Thauris sich von der Bank erhoben, ihre Arbeit zur Seite gelegt hatte und hinausging, um den Boten zu begrüßen, drehte Liuba sich langsam um; eine dünne Schweißfahne entströmte ihm, als er den Mantel wieder über die Schulter warf und seiner Mutter folgte. Er beachtete Cinna nicht, doch genau das ließ diesen argwöhnen, dass Liuba etwas gegen ihn im Schilde führte.
    Saldir schlich aus der Nische. »Er darf mich hier nicht sehen. Er wird mir nichts tun, aber … ich hasse es, wenn er seine Reden schwingt und all diese schrecklichen Dinge erzählt.«
    Aufmerksam behielt Cinna die Tür im Auge. Seine Kehle war wie zugeschnürt.
    »Saldir«, begann er vorsichtig, »weißt du, was dieser Bote will?«
    »Nein, aber ich kann es in Erfahrung bringen. Hast du Angst?«
    Cinna schluckte. Wenn es ihm schon ins Gesicht geschrieben stand, konnte er der Gefahr nicht mehr entgegentreten. Er zwang seine Lippen zu einem schiefen Lächeln. »Nein. Nein, das ist es nicht.«
    Ihr Blick war sonderbar ernst, wie er es von einem Kind nicht erwartet hatte. Sie kam langsam aus dem Schatten des Vorhangs und schlüpfte an ihm vorüber hinaus.
    Liubas Stimme schallte über den Hof. Er sprach hastig und abgehackt, so dass Cinna von seinem Horchposten neben der Tür nur einzelne Worte verstand, drängende Bitten, die Inguiotar überzeugen wollten, die Ehre seines ältesten Sohnes nicht zu schmälern, ihm zu überlassen, was sein sei. Ein wachsamer Blick über den Hof zeigte Cinna, dass Inguiotar zum Tor schritt, während Liuba ihm hinterherlief wie ein Hund seinem Herrn.
    »Nein!«, unterbrach Inguiotar den Redeschwall mit einer unmissverständlichen Geste. »Nein.«
    Noch einmal ergriff Liuba das Wort, und seine Stimme drohte zu kippen, als er den Vater ansprach.
    »Zum letzten Mal: Nein! Und über die Neuigkeiten reden wir später«, tönte Inguiotar hart und ließ Liuba beim Tor stehen.
    Cinna wich tastend zwei Schritte zurück, lehnte sich an einen der Pfosten und atmete tief durch. Er fürchtete zu wissen, welche Forderung Liuba an seinen Vater gestellt hatte. Was immer den Alten bewegen mochte, er war offenbar nicht bereit, den Gefangenen herauszugeben.
    Zu spät bemerkte Cinna, dass die Tür aufflog. Liuba stutzte nur einen Augenblick lang, zu kurz, als dass Cinna hätte entwischen können. Mit einem entschlossenen Satz war er bei Cinna, packte ihn und schraubte ihm einen Arm auf den Rücken. Dann stieß er ihn vor sich her zur Tür.
    Cinna bäumte sich auf, obwohl es ihm scharf durch die Schulter fuhr. Er krallte die Faust in Liubas Mantel, riss ihn herum, bis er strauchelte. Liubas Handkante traf ihn an der Schläfe. Funkelnde Dunkelheit fiel über ihn, während seine Füße widerstrebend dem Zug nachtappten. In Tageslicht gebadet fand er sich wieder.
    Geblendet kniff er die Augen zusammen, als zwei weitere Fäuste den anderen Arm umklammerten. Liuba und ein Fremder stießen ihn vorwärts. Die Gürtelschnalle des anderen endete mit einem bronzenen Beschlag in Gestalt eines Hirsches, der sich im Todeskampf wand. Mitten auf dem Hof warteten zwei Pferde; Margio hielt Liubas Rotschimmel und starrte ihnen mit versteinerter Miene entgegen. Langsam begann Cinna zu begreifen.
    Er stolperte, wurde hochgerissen, und plötzlich war sein linker Arm frei. Er sah das harte Gesicht des Fremden neben sich. Sein Ellbogen traf den Gegner in die Magengrube, er hörte ein dumpfes Aufstöhnen, dann schlossen sich Liubas Finger um seine Kehle.
    »Du wirst still sein – oder du bist tot!«
    Eine Schlinge glitt über sein Haar. Er zuckte zurück und nutzte den Aufprall auf den Körper

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