Der Tribun
stülpte die Kapuze über den Kopf, ehe er das Zugseil des kleinen Schlittens ergriff, das Hraban ihm reichte. Doch Hraban schalt ihn leichtsinnig, huschte ins Haus, um mit zwei langen Wollbinden und einem Schal zurückzukehren. Gehorsam umwickelte Cinna die Hände und legte den Schal um den Hals, dann machten sie sich auf den Weg durch den unberührten Neuschnee.
Knirschend pressten ihre Schritte die weiche Masse nieder, der einzige Laut, der die Stille erfüllte. Zahllose Sterne erhellten die weiße Nacht, durch die sie marschierten, und die Bäume erhoben sich nicht in bedrohlichem Schwarz vor der Dunkelheit, sondern grüßten mit glitzernden Hauben, die im Licht des Mondes funkelten. Hraban schlug den Weg zum Fluss ein, den sie auf dem knarrenden Steg überquerten, während unter ihnen das Wasser zwischen knisternden Eisschollen emporsprudelte.
Der Wald schloss seine Schatten um sie, tauchte sie in wattiges Schweigen. Durch den knietiefen Schnee stapften sie einen Berg hinauf, in dem ihre Spuren und die des Schlittens eine aufgewühlte Linie hinterließen. Froh, dass nicht er den Weg freipflügen musste, trottete Cinna hinter Hraban her. Sooft der Schlitten in der engen Spur umkippte, musste er stehen bleiben, um das ihm anvertraute Handwerkszeug des Jägers zu ordnen – Spieße und Dolche, Bogen und Pfeile sowie die große, rohlederne Jagdtasche, die geschossenes Kleinwild aufnehmen sollte.
Zielstrebig ließ Hraban den vom Gezweig halb verdeckten, gelblichen Vollmond links liegen und richtete sich nach besonders markanten Gewächsen: einem ausgedehnten Schlehengestrüpp, einer Gruppe verkrüppelter Tannen und einem Eichenhain, den er vorsichtig umging. Indessen kroch mit dem auf der Haut tauenden Schnee die Kälte Cinnas Arme hinauf.
Plötzlich prallte Cinna gegen Hrabans Rücken, hätte ihn beinahe zu Boden gerissen. Hrabans ausgestreckter Arm wies auf eine Lichtung. Durch dichtes Gestrüpp erkannte Cinna einige dunkle Schemen: Rotwild, das auf der Suche nach Nahrung den Schnee aufscharrte und die langen Hälse nach gefrorenen Tannenreisern streckte. Hastig nahm Hraban den Köcher mit Bogen und Pfeilen an sich; er prüfte den Wind und nickte knapp, da das fransige Ende seines Schals ihm leicht entgegenwehte. Nachdem er Cinna den Köcher übergeben hatte, legte er einen Pfeil auf die Sehne und spannte den Bogen. Die eiserne Spitze des Pfeils zitterte; der Schütze räusperte sich unterdrückt.
Einer der Hirsche hob den Kopf mit dem ansehnlichen Geweih witternd in ihre Richtung, ohne im Kauen innezuhalten. Cinna erinnerte sich an Jagden in den Wäldern um den See Trasimenus, an die Hirsche und Wildschweine, die von Treibern aufgeschreckt auf das freie Land flüchteten, wo die Jäger sie erwarteten, adelige Taugenichtse und ehrgeizige Emporkömmlinge, manche mit gezückten Spießen, andere mit Pfeil und Bogen oder Wurfschleudern.
Ohne ein Auge von dem schlanken, misstrauisch herüberäugenden Tier zu lassen, zerrte er die Wollbinden von den Fingern und tastete nach der Waffe, die Hraban hatte sinken lassen. Das Holz schmiegte sich warm in seine Hand. Er atmete kaum. Nichts schien ihn von der Beute zu trennen. Gebückt schlich er näher, Fuß vor Fuß in den leise knirschenden Schnee setzend. Alle Aufmerksamkeit richtete er auf das Tier, das seine Schnauze wieder in den Schnee tauchte und nach Futter scharrte. Hinter einem Busch kniete er nieder, hob den gespannten Bogen und zielte.
Sirrend zerschnitt das Geschoss die Luft. Das Wild fuhr auf, und in die aufflatternde Unruhe hinein brach ein dumpfer Ton. Der Pfeil hatte die Flanke seines Opfers durchbohrt und steckte tief im Fleisch. Erschrocken stob die kleine Herde in alle Richtungen. Das getroffene Tier taumelte und brach bei dem Versuch sich aufzubäumen auf der Hinterhand ein.
Mit einem Schrei stürzte Hraban aus dem Dickicht, in der Hand den Spieß, den er treffsicher schleuderte, und erlegte die waidwunde Beute. Jauchzend sprang Cinna hinterher, warf den Bogen von sich und fiel dem Jagdgefährten ungestüm um den Hals.
»In Mogontiacum wird erzählt, dass die Germanen von der Jagd leben«, sagte Cinna vorsichtig, während sie das schwere Tier und die Jagdwaffen auf dem Schlitten festbanden.
Hraban erhob sich langsam. »Ich weiß, dass das behauptet wird, aber es ist Unsinn. Es ist längst nicht jedem gestattet zu jagen, und wer bei der Wilderei ertappt wird, muss das erbeutete Tier auslösen.« Er wies auf das Bündel. »Bei einem Hirsch von
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