Der Tribun
um die Wiederkehr der Sonne und der Hoffnung auf das Frühjahr wurden Schranken aufgehoben, und Cinna sah für einen Atemzug die Kluft zwischen sich und seinen barbarischen Herren schwinden, als Thauris ihn umarmte, ihn mit ihrem warmen Duft nach frischem Brot und Honig umhüllte und seinen Kopf in ihre Hände nahm, um ihn mit einem Kuss auf die Stirn zu segnen.
Die Hände taub vom eisigen Wasser, war Cinna ins Haus gegangen, kauerte neben der Feuerstelle, spreizte und knetete die Finger nahe der weiß überpuderten Glut. Inguiotar und seine Söhne hatten sich mit einer kleinen Gefolgschaft auf den Weg gemacht, andere Dörfer und Burgen aufzusuchen, und wurden erst in einigen Tagen zurückerwartet.
Als Thauris erschien, wollte er sich rasch erheben, doch sie drückte ihn sanft zurück. Wortlos ließ sie sich beim Herd nieder und heftete ihre klugen hellen Augen auf ihn. Als Cinna ihren Blick erwiderte, bemerkte er wieder einmal, dass er verlernt hatte, anderen Menschen offen ins Gesicht zu sehen; gegenüber Liuba und seinen Eltern hielt er den Kopf gesenkt und blickte nur vorsichtig in ihre Richtung, obwohl ihm Thauris nie Anlass gegeben hatte, sie zu fürchten. Auch jetzt, da sie ihm gegenüber saß – den Rock ordentlich über die Oberschenkel gespannt, auf denen ihre schmalen Hände ruhten, den Rumpf gerade aufgerichtet –, spielte ein feines, wohlwollendes Lächeln um ihre schmalen Lippen.
Auf ihren Wink hin trat Swintha neben sie mit einer kleinen Amphora und zwei Bechern. Die Magd übergab ihrer Herrin die Becher und füllte diese mit einer dunkelroten, schimmernden Flüssigkeit. Verwundert wandte Cinna sich Thauris zu, die ihm blinzelnd einen der beiden Becher anbot, während Swintha sich wieder ins Dunkel zurückzog. Er erwiderte ihr stummes Nicken und setzte das irdene Gefäß an die Lippen, um die Köstlichkeit in winzigen Schlucken zu trinken, betäubt vom Duft, der ihm in die Nase stieg. Es war ein ordentlicher Wein, kühl und kaum verdünnt.
»Genieße ihn«, sagte sie leise. »Es ist der letzte Rest. Die Händler werden auf lange Zeit keinen neuen bringen.«
Ob es am Winter lag oder an einem drohenden Krieg, verschwieg sie.
»Wartet eine Familie auf dich? Eine Frau? Kinder?«
Cinna schüttelte den Kopf.
»Wirklich nicht? Mir wurde erzählt, dass ihr Römer sehr jung seid, wenn ihr Familien gründet.«
»Ich war verheiratet«, murmelte er, das verschwommene Bild eines Mädchens im safrangelben Kleid vor Augen, das Gesicht verborgen hinter einem feuerroten Schleier.
»Und warum bist du es nicht mehr?«
»Mein Vater wollte, dass ich mich von ihr trenne.«
Die Erinnerung an ein blasses Kindergesicht überdeckte die staubig weißen Kohlen, zwei riesige dunkle Augen voller Unsicherheit.
»Hat diese Frau ihm oder dir einen Grund gegeben?«
»Nein, es ging nicht um sie. Mein Vater wollte durch ihren Vater an ein höheres Priesteramt gelangen, doch dieser Plan ging nicht auf. Also suchte er nach einer etwas … wertvolleren Frau.«
»Hattest du eine Wahl?«
»Was für eine Wahl?«
»Hättest du sie behalten können, wenn du es gewollt hättest?«
Cinna starrte in die Glut, nippte an dem Becher. Seine Mundwinkel zuckten kurz. »Ich weiß es nicht. Ich war damals in Athen.«
»Du hast sie im Hause deiner Familie zurückgelassen? Ohne Kinder?«
»Ich hatte sie etwas mehr als einen Monat vor meiner Abreise nach Griechenland geheiratet. Eigentlich kannte ich sie gar nicht, hatte sie nur fünf- oder sechsmal gesehen – ein hübsches Ding, kaum dreizehn Jahre alt.«
Thauris stutzte. »Dreizehn?«
Achselzuckend nippte Cinna an seinem Becher. »Ich war gerade sechzehn geworden und sollte auf Rhodos Rhetorik studieren – dahin hätte ich sie doch nicht mitnehmen können.«
»Hätte dein Vater mit dieser Hochzeit nicht besser bis zu deiner Rückkehr gewartet?«
»Warum?«
»Weil ein Mädchen von dreizehn Jahren noch ein Kind ist. Ich würde niemals einwilligen, eine meiner Töchter so jung zu verheiraten. Wie soll denn ein Kind Kinder bekommen und erziehen?«
»Sie hätte sie nicht selbst erziehen müssen«, erwiderte Cinna erstaunt. »Mein Vater verfügt über ausreichende Mittel, gute Ammen und Erzieher zu kaufen.«
»Zu kaufen? Fremde, die deine eigenen Kinder in deinem eigenen Haus erziehen? Fürchtete dein Vater nicht, seine Enkel würden ihm dadurch entfremdet?«
Verwundert sah er die Frau an, die ihn musterte. Er vermisste vieles, den Luxus seines Vaterhauses, das gewohnte Essen,
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