Der Tribun
ein bequemes, warmes Bett für sich allein, die Besuche im Badehaus mit seinen vielfältigen Annehmlichkeiten, die täglichen Ausritte während der Dienstzeit, seinen beflissenen Kämmerer – die Gegenwart seines Vaters oder seiner Mutter gehörte jedoch nicht dazu. Manchmal erinnerte er sich an sein Kindermädchen, eine junge, leichtfertige Griechin. Und an Androkleos. So, wie er anfangs gewesen war.
Cinna atmete tief durch. Der Gedanke an Androkleos krampfte seine Eingeweide zusammen. Ihn auch nur zu erwähnen, erschien ihm nicht angebracht, denn er hatte lange vor seiner Gefangennahme erfahren, dass die Barbaren griechischen Sitten feindselig gegenüberstanden. Dass dieser Mann ihm vor allem Tutor und Lehrer gewesen war, spielte dabei keine Rolle: Zu erfahren, dass diese ungleiche Freundschaft nicht vor der Schlafzimmertür Halt gemacht hatte, würde bei Thauris vermutlich blankes Entsetzen auslösen. Und nicht nur bei ihr. Was in den ersten Monaten in Athen als Spiel begonnen hatte, war jählings umgeschlagen in Schande, die es unter allen Umständen zu verheimlichen galt. Er erinnerte sich an den Brief seines Vaters, der ihn in Athen erreichte und vom Tod seines Halbbruders Lucius berichtete. Er war aus den öden Gängen der Akademie geflüchtet, um Trost bei seinem Freund und Mentor zu finden, doch dieser hatte ihm unverdünnten Wein eingeflößt. Er hatte sich nicht wehren können gegen den harten Griff im Genick, der ihn in die Kissen presste, sich der Hand, die sich hastig an ihm zu schaffen machte, nicht entwinden können. Cinna riss den Kopf hoch, um die Erinnerung abzuschütteln und mit ihr Schwäche und brodelnden Zorn. Just in diesem Moment streckte Thauris ihre Hand aus, um ihm über die Wange zu streichen.
»Es ist schade für dich, dass du keine Familie hattest«, sagte sie leise. »Andererseits bewahrt uns das vor dem Fluch einer hilflosen Frau und ihrer Kinder.«
Langsam erhob sie sich, und ihre Finger glitten sacht an seiner Schulter entlang, als sie davonging und ihn mit dem Rest ihrer Sonnwendgabe zurückließ.
*
Als die Männer nach drei Tagen zurückgekehrt waren und Liuba die Waffen seines Vaters wieder an ihrem Platz angebracht hatte, huldigten sie diesen Zeichen ihres Ruhmes und priesen dankbar ihre Götter. Liuba prahlte mit der Ehre, die er seinen Leuten durch die Gefangennahme eines römischen Offiziers verschafft hatte. Ganz nebenbei erfuhr Cinna, dass Hraban eine Verlobung eingegangen war und die Tochter eines befreundeten chattischen Edlen zur Frau nehmen würde, ein wegen seiner Schönheit und Klugheit gerühmtes Mädchen, das bisher wohl noch keiner zu erobern vermocht hatte. Inguiotar berichtete seiner Frau, der Vater des Mädchens, ein alter Freund, habe schon lange mit dieser Verbindung geliebäugelt. Aber dass Hraban bei dem Mädchen auf Wohlwollen gestoßen war, hatte alle überrascht, vor allem Hraban selbst, der von nichts anderem mehr reden konnte als von Catufledas weißen Armen und rosigen Wangen, während er mit beiden Händen ihre Gestalt nachformte.
Überall erregte seine Begeisterung Heiterkeit, nur Swintha war wie verwandelt und tat freudlos ihren Dienst. Als Cinna an den Herd trat, um sich aufzuwärmen, und die Hände aus den klammen Wollbinden wickelte, reichte sie ihm matt lächelnd den heißen Becher, hielt den Kopf gesenkt und schniefte ständig. Hinter ihm war Saldir ins Haus geschlüpft, jetzt zupfte sie fordernd an seinem Mantel.
»Ich habe eine Idee, Cai – du musst mir helfen!«
Die Wärme prickelte in seinen Fingern und auf dem Gesicht, das der Dampf streichelte. Nur zögernd wandte er sich ihr zu. Natürlich hielt sie die Wachstäfelchen in der Hand, natürlich hatte sie eine unbeholfene Zeichnung gemacht, eine Figur, die an ein Quadrat erinnerte, eine Diagonale hindurch gezogen und über jeder Seite des so gebildeten Dreiecks wieder ein Quadrat gezeichnet.
»Das ist immer so«, platzte sie heraus. »Auch bei Rechtecken – schau mal!«
Er ahnte, was kommen würde. Pythagoras. Woher nahm das Kind diese Gedanken?
»Es ist mir bei der Arbeit eingefallen«, fuhr sie atemlos fort. »Kette und Schuss – sie stehen senkrecht aufeinander. Ich musste nur immer die Länge der Seiten und der Basis abmessen, um es auszurechnen.«
»Wenigstens weiß ich jetzt, warum dein Tuch viel zu fest ist«, sagte Thauris leise und zauste ihr liebevoll das Haar. »Was hast du nur in deinem Kopf?«
»Mama, damit kann ich den Lauf der Sterne bestimmen, ihren Aufgang
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