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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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erfüllen.«
    Die Schlange ringelte sich kalt über Cinnas Rücken, und die fast vergessenen Striemen ritzten sich so deutlich in sein Bewusstsein wie Buchstaben in eine Wachstafel.
    »Na, dann werde ich wohl packen müssen.« Er riss die Sohlen vom Boden los, an dem sie zu haften schienen, wollte an den beiden Männern vorbeigehen, da brachte ihn Inguiotars Hand zum Stehen. Der Alte hatte ihn bislang nur einmal berührt: Mit einem Fausthieb hatte er den Gefangenen für seinen Fluchtversuch bestraft – mehr ein Ausdruck von Wut als eine Demonstration seiner Macht.
    »Du wirst hier bleiben, hier in dieser Burg«, knurrte Inguiotar. »Wenn Segimers oder Ermanamers dich haben wollen, müssen sie sich schon selbst zu mir bequemen, um ihren Anspruch geltend zu machen.«
    Cinna bemerkte, dass Saldir in einiger Entfernung stand, die Hände vor dem Gesicht, und ihn zwischen den gespreizten Fingern anstarrte. Er wandte sich Inguiotar zu, und ohne wie üblich den Kopf zu senken, sah er in die Augen des Dorfherrn. Der harte Griff um seinen Arm lockerte sich, Inguiotar drehte sich um und ging zum Haus zurück.
    Eine Berührung an der Schulter ließ Cinna zusammenzucken, und er konnte sich kaum auf seinen zitternden Beinen halten.
    »Wir werden versuchen, es zu verhindern, Cai, aber versprechen kann ich dir nichts …«
    Cinna schüttelte Hrabans Hand ab und blitzte ihn wütend an. »Was schert es euch, was mit mir geschieht? Oder dass dieser Hund mich zu einem Verräter machen wird, bevor er mich tötet – besser wäre es, du würdest mich töten. Hier und jetzt. Auf der Stelle.«

XIII
    Obwohl die Sonne auf ihrer täglichen Bahn allmählich höher kletterte und die Tage zunehmend erwärmte, hob sich Cinnas Laune nicht. Nachts fand er kaum Ruhe, starrte in die blinde Finsternis, und böse Träume bahnten sich ihren Weg. Die Erinnerung an einen Lederriemen, der sacht seinen Rücken hinabglitt wie eine Schlange, die sich aus ihrem Hinterhalt im dichten Laub auf ihre Beute fallen lässt, riss ihn immer wieder aus dem Schlaf. Margios Nähe wurde zu einem Bestandteil der Folter, jede zufällige Berührung schreckte Cinna, so dass er sich fest in seine Decke wickelte und es krampfhaft mied, dem schnarchenden Mann den Rücken zuzuwenden, auch wenn dessen Gestank nach Schweiß und Mist ihm den Atem nahm.
    Saldir ging er aus dem Weg. Nach einer Weile suchte sie sich für ihre Arbeiten einen neuen Platz am Rande des Gartens, wo die gelben Körbchen des Löwenzahns das zarte Grün des Wegrandes sprenkelten.
    Die Übungsstunden verrichtete er lustlos und mürrisch. Als wolle er sich bestrafen, hatte er begonnen, Hrabans Kenntnisse im Gebrauch mit einer anderen Waffe einer eingehenden Prüfung zu unterziehen, der Lanze; der Umgang mit der unhandlichen Stange hatte nie zu seinen bevorzugten Techniken gehört.
    »Heute werde ich dich besiegen!« Grinsend schüttelte Hraban die Faust gegen Cinna, doch er erhielt keine Antwort.
    Dreimal gelang es Cinna, die Lanzenspitze auf Hrabans Brust zu setzen, dreimal erwischte er seinen Gegner bei einer winzigen Unaufmerksamkeit, die er auszunutzen wusste. Beim vierten Mal schlug Hraban Cinna überraschend die Stange aus der Hand. Cinna packte den Schaft der gegnerischen Lanze, als Hraban sie zurückriss, so dass das Blatt durch Cinnas Finger raste, ehe er loslassen konnte.
    Blut quoll aus tiefen Schnitten. Cinna ballte die Faust, bückte sich nach der eigenen Waffe, ohne seinen Gegner aus den Augen zulassen, der ihn beunruhigt musterte.
    Mit einer einzigen schnellen Bewegung warf sich Cinna ihm entgegen, stieß mit der Spitze nach seinem Leib. Hraban versuchte auszuweichen, die Stange abzulenken, doch zu langsam. Der Treffer warf ihn herum, dass er zwei, drei Schritte rücklings stolperte, nach Luft schnappte. Seine eigene Lanze prallte auf den Boden, tanzte zitternd auf beiden Enden, als er der Länge nach in den Staub fiel, wo er reglos liegen blieb.
    Die heiße Wut erstarrte zu Angst, die Cinna die Brust zusammenschnürte. Langsam näherte er sich Hraban, der schwer atmend auf der Seite lag und den rechten Arm an den Leib presste. Blut färbte die Schneide der Lanzenspitze. Blut klumpte den Staub.
    Cinna ging neben Hraban in die Hocke, legte seine Hand auf dessen Schulter. Eine feine rote Linie zog sich über Hrabans Unterarm, und unter dem Kettenhemd sickerte es dunkel hervor. Rasch rollte Cinna Hraban auf den Rücken, was diesen aufstöhnen ließ.
    »Beweg dich nicht, ich hole Hilfe.«
    Hrabans

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