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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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zur Seite. »Segen für dich und die Deinen, Inguiotar. Andagais ist mein Name, Andabadws’ Sohn. Segimers schickt mich, der erste der cheruskischen Fürsten. Du sollst mir die Geisel übergeben, denn du hast kein Recht darauf.«
    Eine kühle Brise streifte Cinnas Nacken, und die feinen Härchen sträubten sich. Von seinem Versteck aus musterte er die Ankömmlinge. Obwohl der Bote des Arminius sich nicht aus feigem Hinterhalt Recht verschaffen zu wollen schien, spähten seine Krieger umher.
    »Wer behauptet, dass ich kein Recht auf die Geisel habe?«, entgegnete Inguiotar grußlos und schickte Thauris, die mit einer Schale in der Tür des Hauses erschienen war, wortlos wieder hinein.
    Einzelne Bewohner des Dorfes sammelten sich mit Spießen, Knüppeln und Schilden bewaffnet beim Hoftor, während der Qualm aus der Esse des Schmiedes in Richtung des Sees zog. Cinna griff nach dem Halssaum seines Hemdes und betete lautlos, Hraban möge das Zeichen rechtzeitig erkennen und umkehren.
    Zwei jüngere Männer bewegten sich zwischen den Pferden langsam in Richtung des Hauses. Cinna fasste den Schaft des Speeres fester. Sie konnten ihn noch nicht gesehen haben.
    Der Fremde starrte Inguiotar scharf an, dann wanderten seine Blicke über den Hof, den sanften Hang mit den Holunderbüschen, die Koppel, die Schuppen, und kamen auf dem Gesicht des Dorfherrn wieder zur Ruhe.
    »Segimers ist der oberste Fürst der Cherusker, also bist du niederen Ranges, Inguiotar. Segimers’ Sohn Ermanamers hat die verbündeten Stämme zum Sieg geführt und unsere Freiheit wiederhergestellt.«
    Cinna wagte kaum zu atmen, als könne ihn die geringste Regung verraten. Wenn Inguiotar ihn preisgäbe, wäre das der sichere Tod.
    »Das sagt Segimers«, konterte Inguiotar. »Und dass mein Sohn seinem Sohn nachläuft, macht mich nicht zu seinem Gefolgsmann.«
    Am Ende von Thauris’ Garten, im Schatten eines Holunderbaumes, stand einer der beiden jungen Männer, die abgesessen waren. Cinna sah, wie er einen Pfeil aus dem Köcher nahm, der an seinem Gürtel hing, wie er das schlanke Geschoss auf die Sehne legte, langsam den Bogen hob und spannte, während sein Blick auf Inguiotar gerichtet war. Einer dieser Schergen, die es sich zur Ehre gereichen ließen, für ihren Herrn die Schande eines hinterhältigen Anschlags auf sich zu nehmen.
    Die Eisen glühten auf Cinnas Haut. Er war nicht das Einzige, woran die Fremden Interesse hatten, die Forderungen nur Vorwand; Inguiotar hatte Feinde auf sein Anwesen gelassen, wie Priamos, als dieser das hölzerne Pferd nach Troia hatte hineinziehen lassen. Er sah die Bogensehne zittern, den Schützen ruhig Maß nehmen, keine zehn Schritte von ihm entfernt. Wenn Inguiotar stürbe und das Dorf an die Angreifer fiele, geriete auch Cinna in ihre Gewalt. Langsam führte Cinna den Spieß über die Schulter zurück; die Finger tasteten am Holz entlang, bis die Waffe ausgewogen über dem Arm schwebte. Er streckte die andere Hand nach dem Schützen aus, wurfbereit.
    Jäh stieß er einen Warnruf aus. Der Schütze schrak zusammen, ziellos schnellte der Pfeil von der Sehne. Cinna warf sich vorwärts, schleuderte den Spieß durch die Luft. Er hörte das Zischen, den Aufschlag, das Ächzen des Getroffenen; der Schütze taumelte unter der Wucht des Treffers rückwärts, ließ den Bogen fallen, um ihn rasselten die Pfeile aus dem Köcher, während er beide Hände auf den Leib presste, wo der Spieß steckte. Pferde trabten über den Hof. Durch das Tor strömten schreiende Männer, die Stangen und Mistgabeln in den Fäusten schüttelten. Mit einem Stecken parierte Inguiotar die Attacke des Kriegers, der sich als Andagais vorgestellt hatte. Cinna angelte eine der scharfen Speerspitzen aus seinem Hemd und stürmte los.
    Er hatte nie zuvor einen Menschen im Kampf getötet, bis er die Klinge in den ungeschlachten Kerl rammte, der sich ihm in den Weg stellte. Es knirschte hässlich. Er vernahm ein Stöhnen – keinen Schrei, nur ein dumpfes Stöhnen. Ohne einen Gedanken zu verschwenden, zerrte Cinna die Waffe aus der Wunde. Als er den Mann von sich stieß, sank dieser matt in die Knie.
    Inguiotar hatte ein Schwert erbeutet und winkte damit über den Hof. Es galt, die Fremden vom Haus fern zu halten, in dem sich die Frauen befanden. Zumindest bis Hraban und die übrigen Männer, durch den schwarzen Rauch alarmiert, eintreffen würden.
    Mit dem Mut der Verzweiflung warf sich Cinna auf die Gegner, die ihm gegenüberstanden. Er stach nach einem der

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