Der Tribun
verstanden hatte, war, dass Godareths auf dem Weg zum See gestürzt sei und sich nicht rühren könne. Dass die Herrin seine Schmerzen lindern möge. Cinna tippte Hraban, der seinen Fuchs striegelte, sacht auf die Schulter und wies zu den Frauen hinüber. Die Alte hatte sich mühsam auf die Füße gerappelt; Thauris nahm ihre Tasche aus Swinthas Händen und begleitete sie den Weg hinunter.
»Was ist passiert?«, fragte Hraban.
»Ich weiß es nicht genau. Es sieht allerdings so aus, als ob Godareths eine Weile nicht mehr für sich und seine Frau sorgen könne.«
Noch unschlüssig setzte Cinna sich in Bewegung, um den Frauen zu folgen.
»He! Was hast du vor?«
Mit einer flüchtigen Handbewegung hieß Cinna Hraban warten, trabte den Weg hinunter und erreichte Godareths’ kleines Haus, als Thauris bereits darin verschwunden war. Nur zwei Netze waren zwischen den Stangen aufgespannt – der Fischer hatte den Fang noch nicht einholen können. Cinna trat zum Haus und schob die angelehnte Tür auf.
Als die Alte erkannte, wer ihr Haus betreten wollte, riss sie beide Arme in einer abwehrenden Geste hoch und murmelte unverständliche Beschwörungen. Cinna streckte ihr beschwichtigend die Handflächen entgegen, doch sein nächster Schritt wurde von einem heiseren Kreischen beantwortet.
»Raus mit dir! Geh weg!«
Obwohl die Alte eine Bewegung machte, als wolle sie ihn hinaus stoßen, tauchte er unbeirrt in den Schatten des Hauses ein.
»Godareths, ich bin gekommen, um dir meine Hände anzubieten.«
»Ich werde ihn nicht an unseren Herd lassen!«, krächzte Gritha. »Er bringt nichts als Tod und Unheil.«
Während Cinna unverwandt ihren starren Blick erwiderte, trat Thauris aus dem Dunkel, wo sich die Schlafstelle befand.
»Beruhige dich, Gritha. Es gibt keinen Grund zur Sorge.«
»Herrin, ihr habt ein starkes Haus. Euch können die dunklen Geister nichts antun – aber unser Schutz wurde geraubt von diesen Männern, deren Augen Holzkohlen sind, und ich fürchte mich vor diesem Blick.«
»Gritha, du kannst das nicht ablehnen.«
Die Alte hatte sich an der Feuerstelle mit einem glühenden Scheit bewaffnet, das sie drohend gegen Cinna richtete.
»Gritha!«, rief Thauris.
»Er bringt Unheil unter dieses Dach. Er ist ein Fluch für Godareths und mich.«
»Nichts dergleichen!«
»Ach, Herrin, du glaubst mir nicht! Du glaubst mir nie! Ich sah, wie dein Herr verwundet wurde und im Zelt des Feindes lag, und du glaubtest mir nicht. Ich sah, wie die Braut deines ältesten Sohnes geschändet wurde, und du glaubtest mir nicht. Ich sah, wie unser Sohn unter den Schwertern der Legionäre fiel, und du glaubtest mir nicht.« Sie stieß das Scheit in die Glut zurück, dass die Funken hoch aufstoben. »Höre meine Warnung, Thauris, Tochter des Wakrabadws, Frau des Inguiotar: Deine Tochter Sunja darf diese Burg nie wieder betreten! Sonst wird Unheil euer Haus heimsuchen, und dieser da«, ihr knochiger Finger wies auf Cinna, »wird der Grund sein.«
»Schweig endlich, du alte Närrin!«, schnarrte Godareths’ Stimme angestrengt aus dem Dunkel. »Wenn die Herrin ihm befohlen hat zu kommen, dann soll es so sein.«
»Ich habe es ihm nicht befohlen, Godareths, doch wenn er es tun will, werde ich ihn nicht aufhalten.«
»Dann lass ihn tun, was er tun will«, murmelte der Alte schwach.
»Und ich werde ihn begleiten«, ließ sich Hraban in der Tür vernehmen.
»Ich wusste nicht, dass Godareths’ Frau eine Wahrsagerin ist.« Cinna blickte kurz zu Hraban zurück, der hinter ihm den morastigen Pfad zum Ufer hinunterschlenderte.
»Ihr Blick ist trüb«, erwiderte dieser. »Sie sieht die Dinge, die geschehen werden, aber sie vermischt sie mit ihren eigenen Wünschen und Ängsten. Deshalb kann niemand ihren Worten vertrauen.«
»Eine Kassandra also? Arme Gritha.«
Hraban hatte das Ufer erreicht, griff nach dem Seil, mit dem das Boot an einer Wurzel befestigt war, und löste den Knoten. »Die Leute hören auf sie – mehr als gut ist.«
Als er aus seinen Schuhen schlüpfte und ins Wasser stieg, entfuhr ihm ein zischender Laut, und er schüttelte sich vor Kälte. In das schwankende Boot kletternd, erinnerte Cinna sich an die fahrige Unruhe, mit der er vor einigen Tagen die Wäsche durchforstet hatte; er hatte die Haarsträhne vergessen, als Swintha ihm frische Kleidung gegeben hatte am Tag, nachdem er Saldir zurück ins Haus gebracht hatte. Er hatte sich zu beruhigen versucht, dass der Locke ihre Herkunft nicht anzusehen war, aber
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