Der Tristan-Betrug
waren. Aber sind sie nicht freigekommen, als ihr Fall einen Mordswirbel ausgelöst hat?«
»Ganz recht«, sagte Bishop. »Aber die Bolschies haben sich überhaupt nur getraut, sie zu verhaften, weil die beiden Kerle so wenig Kontakt mit der britischen Botschaft hatten, dass der Kreml sie für ungefährliche Ziele gehalten hat - weil die englische Regierung sich von ihnen distanzieren würde. Haben Sie enge Kontakte zu Ihrer Botschaft?«
»Nicht besonders enge«, antwortete Metcalfe. Er hatte dort nur einen einzigen Kontaktmann, einen Attaché namens Milliard, der sich auf Corkys Veranlassung hin mit ihm in Verbindung setzen sollte. Aber der Attaché würde bei seinen Kontakten zu Metcalfe sehr überlegt und umsichtig vorgehen. Hatte Metcalfe Pech und wurde von den Sowjets unter kompromittierenden Umständen geschnappt, dann würde die Botschaft jegliche Verbindung zu ihm schlicht leugnen. Davor hatte Corky ihn ausdrücklich gewarnt.
»Nun, dann sollten Sie umgehend versuchen, dort Freunde zu gewinnen«, riet der Engländer ihm. »Sehen Sie, wie miserabel der Service hier ist?« Er trank einen großen Schluck Tee. »Vielleicht brauchen Sie mal einen Verbündeten. In Moskau sollte man immer einen Verbündeten haben.«
»Sonst?«
»Sonst spüren sie Schwäche, und sobald das geschieht, schlagen sie zu. Hat man irgendeine größere Institution hinter sich, die eine Zeitung oder eine Regierung sein kann, genießt man wenigstens einen gewissen Schutz. Andernfalls ist man immer verwundbar. Halten sie einen für gefährlich, zögern sie keine Sekunde, einen zu verhaften. Betrachten Sie das als Warnung von einem, der sich auskennt, Metcalfe.«
An diesem Tag war es bitterkalt, so kalt, dass Metcalfes Gesicht brannte. Wie er aus Bemerkungen einiger Moskauer erfuhr, war dies der kälteste Winter seit langem. In der Gorkistraße betrat er einen Torgsin-Laden, in dem es für Russen unerschwingliche Waren gegen valuta, harte Devisen, gab. Dort kaufte er sich eine schapka, eine russische Pelzmütze - nicht zur Tarnung, sondern als Schutz gegen die Kälte. Die Russen trugen diese Mützen mit Ohrenklappen aus guten Gründen: Nichts hielt den Kopf besser warm und schützte die Ohren besser vor der grimmigen Kälte des russischen Winters. Metcalfe erinnerte sich daran, wie bitterkalt es in Moskau werden konnte - so kalt, dass einem die Tinte im Tintenfass einfror, wenn man nachts das Fenster einen kleinen Spalt weit offen ließ. Bei seinem letzten Besuch hatte es selbst für privilegierte ausländische Gäste keinen Kühlschrank gegeben, sodass sein Bruder und er gezwungen gewesen waren, verderbliche Lebensmittel in Einkaufsnetzen vors Sprossenfenster zu hängen; Milch und Eier waren dort unweigerlich steinhart gefroren.
Er wurde beschattet, das merkte er sofort. Mindestens zwei der stämmigen NKWD-Agenten, die in der Hotelhalle herumgesessen hatten, folgten ihm mit einer Grobschlächtigkeit, einem Mangel an Finesse, der auf schlechte Ausbildung oder die Absicht schließen ließ, Metcalfe merken zu lassen, dass er beschattet wurde. Er tippte auf Letzteres. Dies war eine Warnung. Wäre er mit den Methoden der sowjetischen Geheimpolizei nicht so vertraut gewesen, hätte er sich vielleicht Sorgen gemacht und sich gefragt, ob sie ihn etwa verdächtigte, nicht nur geschäftlich in Moskau zu sein. Aber Metcalfe wusste, wie die hiesige Geheimpolizei arbeitete - oder er redete sich das zumindest ein. Sie überwachte alle Ausländer intensiv. Ihre Leute glichen Wachhunden, die potenzielle Eindringlinge anknurrten, sie davor warnten, Sperrzonen zu nahe zu kommen. Teams aus solchen Schlägern - denn sie waren reine Schlägertypen, Rowdys -beschatteten alle Ausländer, schüchterten sie ein und sorgten dafür, dass jeder ausländische Moskaubesucher den heißen Atem des sowjetischen Polizeistaats im Nacken spürte.
Trotzdem fand Metcalfe die Anwesenheit dieser NKWD-Bullen auf verrückte Weise beruhigend. Seltsamerweise bewies sie, dass der NKWD ihn nicht übermäßig verdächtigte. Sie bedeutete, dass die Geheimpolizei ihn nur für einen ganz gewöhnlichen Aus-länder hielt. Hätte der NKWD ihn verdächtigt, etwas anderes zu sein - hätte er den wahren Grund seines Aufenthalts gekannt -, hätten die Führungsoffiziere kein Team aus mittelmäßigen Leuten auf ihn angesetzt. Dann wäre Metcalfe von weit geschickteren Agenten beschattet worden. Nein, diese Kerle waren gewöhnliche russische Wachhunde, die dafür sorgen sollten, dass er auf dem
Weitere Kostenlose Bücher