Der Triumph der Heilerin.indd
Schweiß riechen konnte.
Anne senkte den Blick und schnitt sich ebenfalls ein Stück Kuchen ab. Die Gefühle, die sie für diesen Mann empfand, verwirrten sie, und Sprechen machte alles nur noch schlimmer. Sie räusperte sich und sagte in dem träge summenden, warmen Obstgarten unnötig laut: »Dann wollt Ihr mir keinen Rat geben?«
Leif schüttelte den Kopf. Er kaute langsam und sah sie dabei an. »Ihr würdet doch nicht akzeptieren, was ich Euch zu sagen hätte, Lady.«
Sie sah ihn von der Seite an. »Das ist gemein. Woher wollt Ihr das wissen?«
Er lächelte und biss vom Kuchen ab. »Weil ich Euch kenne, Lady.«
Anne wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Sie wischte sich die Kuchenkrümel vom Kleid und stand auf. Dann nahm sie das Tuch vom Kopf und wischte damit ihr erhitztes Gesicht ab. Am Rande des Obstgartens verlief ein kleiner Bach, deshalb waren hier auch die Bäume gepflanzt worden. Wasser bedeutete reiche Ernte.
»Gebt mir die Flasche, wenn Ihr ausgetrunken habt. Ich möchte frisches Wasser einfüllen.«
Leif lächelte träge und hielt ihr die Lederflasche hin. Sie beugte sich vor und wollte sie nehmen, aber dann, gerade als sie sie berührte, zog er sie schnell wieder zurück. Bei dem Versuch, sie zu erhaschen, verlor sie das Gleichgewicht und fiel in seinen Schoß. »Also, Lady, Ihr wollt, dass ich Euch sage, was ich denke?«
Anne war nun vollends verwirrt und außer Atem, sie lag quer auf ihm, ihre Brüste gegen seinen Leib gepresst.
»Das ist wirklich gemein, Leif.«
Er hielt ihre Hände fest, und sie wand sich und versuchte, sich zu befreien. Beide atmeten schnell.
»Lasst mich los!«
»Nur wenn Ihr mich anhört.«
Sie war geschickt und stark, aber er war ihr weit überlegen und hielt sie mühelos fest, drückte sie erbarmungslos an sich.
»Sag ja, Anne.«
»Zu was?« Ihr Herz wollte zerspringen, aber sie hatte keine Angst.
»Zur Wahrheit.« Und dann, weil die Gelegenheit so günstig war, küsste er sie.
Sie war nicht schockiert, aber die Wucht, mit der seine Lippen sie berührten, warf sie fast um. Während er sie küsste, lockerte sich sein Griff, und sie, ohne nachzudenken, machte eine Hand frei und schlug ihm hart gegen die Brust. »Nein!«
Er lachte. »Ja!« Und küsste sie wieder und fing ihre freie Hand ein. In ihrem Kopf drehte sich alles, Licht und Dunkel prallten aufeinander, und sie küsste ihn zurück. Und in diesem Augenblick, als alle Gewissheit bis auf die Grundfesten erschüttert wurde, fasste Anne de Bohun einen Entschluss. Sie musste nach London reisen. Sie musste Gewissheit erlangen.
Kapitel 66
»Ich muss von ihm Abschied nehmen. Ich kann unsere Beziehung nicht einfach so beenden.«
Deborah rührte gleichmäßig in einem Bottich mit Quitten und passte auf, dass die Früchte nicht zerfielen. »Warum? Hier könntest du in Frieden leben.« Leifist zurückgekommen. Bleib hier, um seinet- und um deinetwillen. Das war es eigentlich, was Deborah sagen wollte.
Anne wich ihrem Blick aus und spürte, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg. Kopfschüttelnd erwiderte sie: »Hier finde ich keinen Frieden. Nicht, solange der König es mir nicht erlaubt. Ich bin ohne sein Einverständnis zurückgekommen, und er könnte mich wieder in die Verbannung zwingen.«
Deborah wandte sich den köchelnden Früchten zu. »Das hätte er doch längst getan, wenn er gewollt hätte.«
Mit einem langen Löffel holte Anne die Musselinsäckchen mit den kostbaren Gewürzen, Muskatnüssen, Nelken und Zimtstangen aus dem Topf heraus und legte sie vorsichtig zur Seite, wo sie für weiteren Gebrauch trocknen sollten. »Er ist immer noch der König. Ich habe seinen Willen missachtet, indem ich nach England zurückgekehrt bin.«
Aus dem Kochtopfstieg köstlich duftender Dampfauf. Noch einmal umrühren, dann klopfte Deborah den Löffel am Rand des Kochkessels ab. »Damals war er noch nicht auf dem Thron. Jetzt ist er wieder König, aber sie ist auch noch Königin. Egal, ob sie nun einen Sohn haben oder nicht. In London droht dir Gefahr. Von beiden.«
»Ich werde mit dem König eine Vereinbarung treffen und versuchen, mit Elizabeth zu einer Verständigung zu kommen. Das ist die einzige Möglichkeit, unsere Zukunft hier zu sichern.« Anne fing an, aus dem Korb mit den ungeschälten Früchten die guten, die keine Druckstellen hatten, herauszusuchen. Deborah setzte sich neben sie und nahm ihr Schälmesser zur Hand.
»Leif könnte dir dabei helfen, Tochter. Er kann dir helfen, eine friedliche,
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