Der Triumph der Heilerin.indd
Herzogin Jacquetta ging mit anmutigen Schrittchen zum Bett. Ihr Gesicht wirkte ruhig, doch denen, die sie besser kannten, entging nicht, dass sie krampfartig ihre Hände ineinander verschlungen hatte.
Zögernd schob die Königinmutter den bestickten Vorhang ein Stückchen zur Seite. Drinnen war es dunkel wie in einer Höhle.
»Tochter? Ich kann Euch nicht sehen.«
»Bin ich ein wildes Tier im Käfig, dass Ihr mich so anstarrt? Ein Bär? Oder ein Löwe vielleicht?«
Die Herzogin duckte sich. Ein Kissen flog an ihrer Schulter vorbei und landete auf dem Boden. Die Hofdamen und die Zofen hielten den Atem an und wichen zurück.
»Nun?«
»Nun, mein Kind, beruhigt Euch.« Das war falsch. Die Herzogin wusste es, kaum dass sie es ausgesprochen hatte.
»Beruhigen? Mich beruhigen!« Noch ein Kissen flog vorbei, dann folgte ein blaugrauer Nachttopf, dessen Inhalt sich überall ergoss. Diesmal hatte die Königinmutter sich nicht schnell genug geduckt.
»Oh!«
»Was habt Ihr gesagt?« Das bleiche Gesicht der Königin erschien zwischen den Vorhängen. Dunkle Augenränder, aufgesprungene Lippen, wirres Haar. Wo war die schöne Elizabeth Wydeville geblieben?
»Ihr stinkt. Geht!«
Herzogin Jacquetta war an Höfen erzogen worden. Sie stammte vom französischen Hochadel ab und hatte in ihrem relativ langen Leben schon einiges gesehen und erlebt. Es gab kaum etwas, das sie noch schockieren konnte. Aber solch eine unkontrollierte Brutalität war ihr fremd, und dieses Ungeheuer dort im Bett hatte sie selbst aufgezogen, hatte ihm das Leben geschenkt. Die Königinmutter brach in Tränen aus und
rannte, betroffenes Schweigen hinterlassend, aus dem Schlaf-
»Nun? Was starrt ihr mich so an? Wischt diesen Dreck weg. Ich habe meine Meinung geändert.« Die Stimme von Elizabeth Wydeville war ein unheilvolles Knurren. Angst machte sich im Zimmer breit.
»Ja, Euer Majestät«, sagte die Herzogin von Portland mit einem leichten Beben in ihrer Stimme. Von den verbliebenen Hofdamen war sie die ranghöchste. Es war ihre Pflicht, der Königin zu gehorchen.
»Ja, ja, immer nur ja. Ich will angekleidet werden. Sofort. Auch wenn ich krank bin. Und dann schafft mir William Hastings herbei. Unverzüglich. Habt Ihr verstanden?«
Stumm knicksten die entsetzten Frauen und trippelten mit klopfenden Herzen zum Bett. Die einen, die Kammerzofen, um sauber zu machen, die anderen, die Hofdamen, um der Gemahlin des Königs ihre Kleider vorzulegen. Die Königin ankleiden! Die Königin ankleiden! Beeilung! Sucht den Großkämmerer, sucht den Großkämmerer! Schnell! Schnell! Schnell!
Im Zentrum diese Sturms hektischer Aktivitäten saß die Königin und brütete stumm vor sich hin. Ihr Zorn war verflogen, ihr Herz war zu Stein geworden. Der König war nicht gekommen. Die ganze Nacht nicht.
Schuld daran war allein Anne de Bohun.
Kapitel 73
»Euer Majestät?« William Hastings ging zwei Schritte auf den Thron zu, dann machte er eine ausladende Verbeugung. Noch einmal zwei Schritte, wieder eine Verbeugung.
»Halt!«
William sah überrascht auf. »Hört auf damit! Ihr werdet den ganzen Vormittag brauchen, bis Ihr hier seid.«
Einen Augenblick lang dachte der Großkämmerer, die Königin hätte einen Scherz gemacht. Aber ein kurzer Blick auf Elizabeth Wydevilles düstere Miene, und er wusste, dass er sich geirrt hatte. In den Augen der Königin lag ein gefährliches Glitzern. William erkannte die Zeichen und wusste, was er zu tun hatte. Rasch und möglichst würdevoll ging er nach vorn und beugte vor dem Thronpodest das Knie.
»Euer Majestät sieht heute Morgen strahlend aus.« Eine galante Lüge. Aber galante Lügen waren nützlich. Ob die Königin seinen Ausspruch honorierte? Nein. Jetzt aus der Nähe sah er, dass Elizabeth den Tränen nahe war.
»Sagt ihnen, sie sollen gehen. Alle.«
William erhob sich und betrachtete den überfüllten Audienzsaal. Die Menschenmenge hatte aus dem Gesichtsausdruck der Königin längst geschlossen, dass etwas in der Luft lag. Und ohne dass William es direkt sehen konnte, spürte er, wie die Masse sich wie ein Körper näher zum Thron schob, um nicht ein einziges Wort von dem zu verpassen, was zwischen dem Großkämmerer und der Königin gesprochen wurde. William klatschte scharf in die Hände. Ein hörbares Murmeln entstand. Entlassen! Ausgerechnet dann, wenn es interessant wurde.
Der Großkämmerer ignorierte das Geflüster und die gedämpften Seufzer der Enttäuschung. Er wartete geduldig, bis es der Königin
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