Der Triumph der Heilerin.indd
zu sehen.
Nach einem langen Augenblick des Schweigens atmete Anne gequält aus. »Herzogin, ich werde um eine Antwort beten. Wenn Gott mir sagt, dass ich gehen muss, dann werde ich gehen. Wenn nicht, dann werde ich Eure Botschaft nicht überbringen, werde aber meinen Hof verkaufen.«
Die Herzogin erhob sich. Anne sah, wie traurig sie war, wie verloren. Margaret von Burgund war es nicht gewöhnt, zu bitten.
»Dann werde auch ich beten«, sagte sie, »für Euch und für mich. Und für ihn. Möget Ihr einen Rat erhören, mit dem Ihr leben könnt.«
Anne machte einen Knicks. Sie zitterte, als die Herzogin das Haus verließ. Im Dämmerlicht des frühen Morgens sah Anne, wie Margaret ihr Pferd bestieg. Es wurde von Aseef gehalten, einem taubstummen Mohren, der ein vertrauter Diener des Herzogs war. Als sie in die aufgehende Sonne ritten, machte Anne die Haustür zu und lehnte sich dagegen. Ihr Herz hämmerte wie das eines gefangenen Tieres.
Ja, sie musste um Führung beten, denn sie selbst wusste sich keinen Rat. Diesmal würde sie die Antwort vielleicht bei anderen Göttern finden. Anne schlang sich ihr Tuch fest um den Leib und eilte davon. Leif Molnar hatte geduldig vor der Tür zu Annes Arbeitszimmer gewartet, um mit ihr zu sprechen. Doch als sie nun geistesabwesend an ihm vorübereilte, trat er nicht vor, sondern sah sie nachdenklich an. Er hatte jedes Wort zwischen den beiden Frauen gehört und machte sich um Anne große Sorgen.
Sein Herr hatte ihn mit einer Aufgabe betraut, die er erst zum Teil erfüllt hatte. Sicher, er besaß nun wichtige Informationen über die Pläne des Herzogs bezüglich Edward, und er würde dafür sorgen, dass Mathew Cuttifer sie auf schnellstem Wege erführe. Aber er wusste auch, dass der König unbedingt die Nachricht der Herzogin bekommen musste, denn dies würde mit Sicherheit den Verlauf des zu erwartenden Krieges in England beeinflussen. Das Leben einer Frau war in Zeiten wie diesen nebensächlich. Aber das Leben von Anne de Bohun, ihre Sicherheit und ihr Glück waren für Leif Molnar nicht nebensächlich.
In den vergangenen Tagen hatte er begriffen, dass sie für ihn immer die Hauptsache sein würden.
Kapitel 8
Mijnheer Lodewijk de Gruuthuse, Gouverneur des burgundi-schen Herzogs für die Provinz Holland, lächelte seinen »Gast«, den einstigen König von England, entschuldigend an und zuckte die Achseln.
»Majestät, natürlich wusstet Ihr die Hilfe dieser Männer zu schätzen. Aber Ihr müsst auch meinen Standpunkt und den meines Herrn, des Herzogs, verstehen. Er vertraut mir, dass ich diese Provinz in seinem Sinne regiere. Ich sorge für Ruhe und Ordnung, das geht aber nur, wenn die Leute sich auf die Gesetze verlassen können. Was würden sie von mir denken, wenn ich Euch zugestände, um was Ihr mich bittet?«
Edwards Verhandlungsposition war schwach, das wusste er. Doch auch wenn er seinen Thron verloren hatte, er war immer noch ein Ritter. Das Rittertum verlangte auch in unruhigen Zeiten wie diesen gewisse Verhaltensregeln - sofern sie angemessen waren. »Gouverneur, eigentlich sind das anständige Männer, die durch diese gewalttätigen Zeiten vom rechten Weg abgekommen sind. Der Franzose, ihr Anführer, ist ein tapferer Mann, der einen ehrbaren Namen trägt. Seine einzige Dummheit war, dass er Louis von Frankreich vertraut hat. Der eine König hat ihn um seinen Platz in der Gesellschaft betrogen, der andere König hier würde sein Ansehen gerne wiederherstellen.«
Mijnheer de Gruuthuse verbeugte sich ernst. Edward erwiderte die Verbeugung ebenso ernst. Die beiden waren alte Freunde. Lodewijk de Gruuthuse, meist einfach Louis genannt, war in den vergangenen zwanzig Jahren mehrmals burgundi-scher Gesandter in England gewesen. Er kannte Edward schon als Knaben, als dieser noch der Earl of March gewesen war. Er hatte ihn damals schon gemocht und mochte ihn auch heute als erwachsenen Mann, ob er nun König war oder nicht. Allerdings bürdete ihm Edwards gegenwärtige Situation nicht wenige Probleme auf. Außerdem trug er an einem Geheimnis, das er mit seinem Gast nicht teilen durfte. Edward seinerseits war aufrichtig froh, dass Louis als Gouverneur von Holland ein Vertrauter seines Schwagers, des Herzogs von Burgund, war. Die englischen Adligen hatten den vornehmen Louis oft scheel angesehen. Er sehe aus wie ein Edelmann, sagten sie, sein unermesslicher Reichtum jedoch stamme vom Bierbrauen. Er habe sich seinen Adelstitel gekauft und nicht auf dem Schlachtfeld
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