Der Triumph der Heilerin.indd
würde bestimmt nicht wollen, dass Ihr Euer Zuhause verliert. Ihr liegt ihm am Herzen und der Knabe auch. Aber wenn Ihr mir helfen wollt, können wir ihm eine viel größere Summe einbringen, als dieser Hof wert ist. Und auch Soldaten. Das ist es, was er braucht, um Warwick zu schlagen. Und ... George.« Es fiel ihr schwer, den Namen ihres Bruders, des Herzogs von Clarence, auszusprechen. Dieser Verräter. »Karl hat mir verboten, Edward zu helfen oder ihn auch nur zu treffen. Aber Ihr könntet das tun, Anne. Falls Ihr das wollt.«
Die Herzogin hielt einen bauchigen Lederbeutel hoch. »Das ist für ihn - Geld und ein Brief von mir. Er muss wissen, womit er zu rechnen hat. Karl wird ihm nicht helfen.«
Die Herzogin wurde bleich. In der Kathedrale von Damme hatte sie ihrem Gemahl Gehorsam geschworen, und nun brach sie ihren vor Gott geleisteten Eid. Sie hatte Schmuck verkauft, unter anderem auch die Krone, die sie bei ihrer Hochzeit getragen hatte - ein doppelter Verrat, denn sie war Teil ihrer Mitgift. Die Wahl war bitter - sollte sie ihrem Blut folgen oder dem Mann, den sie liebte? Doch schließlich hatte sie sich entschieden.
»Mein Gemahl möchte Edward in s'Gravenhage festhalten, bis er weiß, wie es weitergehen soll. Möglicherweise wird der Herzog meinen Bruder den Franzosen ausliefern.«
»Nein! So etwas würde er doch niemals tun.«
Margaret ergriff bewegt die Hand ihrer Freundin. »Hört gut zu, Anne. Mit diesem Geld kann der König sich eine ordentliche Garde beschaffen: Waffen, Männer und Pferde. Mein Gemahl wird einer Begegnung mit Edward aus dem Weg gehen. Er sagt, er müsse sich neutral verhalten - gegenüber den Franzosen wie auch den Engländern. Aber England hält einen weiteren Bürgerkrieg nicht durch, und dieser ist sicher, wenn Margaret von Anjou den englischen Thron zurückerobert. Karl hat eine Schlüsselrolle inne. Er muss sich mit Edward treffen und ihn unterstützen, damit wenigstens die Menschen in England verschont werden. Und deshalb muss der König hierherkommen. Bestimmt kann ich dann ein Treffen arrangieren. Aber ich kann Brügge nicht verlassen, im Gegensatz zu Euch.«
Margaret wusste, was ihr Ansinnen bedeutete. Wenn Karl erfuhr, dass Anne seinem ausdrücklichen Befehl zuwiderhandelte, würde sie seinen Zorn zu spüren bekommen. Außerdem war die Reise durch die von ständigen Kämpfen zwischen Burgund und Frankreich aufgeriebenen Provinzen lang und gefährlich, besonders jetzt vor dem Wintereinbruch. »Ich kann niemand anderem trauen. Und auch Edward würde keinem anderen trauen. Ihr werdet ihn niemals verraten. Das weiß er, und ich weiß es auch.«
Anne nickte und spürte ein Flattern in ihrem Bauch, nicht weil sie zustimmte, sondern weil die Herzogin recht hatte. Sie war als Botin am besten geeignet.
Eine Hand berührte sie in der Dunkelheit, ein Mann lachte. Er. Er war es. Sie drehte ihren Kopf und sah ihn. Wie verliebt er sie anschaute. Er streckte seine Hand nach ihr aus. Sie spürte seinen innigen Kuss. Sie sah, wie seine Finger an ihren Bändern nestelten und .
»Werdet Ihr gehen, Anne?« Anne ballte ihre Hände zu Fäusten, ihre Nägel gruben sich in ihre Handflächen. Das Bild des
Königs war so lebendig gewesen, sie hatte ihn sogar riechen können: Veilchenwurz, Sandelholz und sein eigener Duft nach Leder, frischem Schweiß und dem Leinöl der Zügel, die er täglich anfasste .
Anne seufzte und schüttelte den Kopf. »Wir haben uns gegenseitig beinahe zerstört, Euer Bruder und ich. Ich möchte ihm helfen, lieber Gott, das möchte ich, und wenn ich alles verkaufen muss, was ich besitze. Mehr kann ich nicht tun. Ich werde mein Geld zu dem Euren dazutun. Aber Ihr müsst einen anderen Boten finden, Herzogin, und ich werde ein anderes Zuhause finden müssen.« Die Vorstellung, ihren Hof zu verkaufen, schmerzte sie unendlich, aber letztendlich war es der bessere Weg, die aufrichtigere Antwort auf das Ansinnen der Herzogin. Und sie konnte so der Versuchung widerstehen, den König wiederzusehen.
»Aber, Anne, der König muss wissen, was ich ihm zu sagen habe. Er muss von den Plänen meines Mannes erfahren, sonst ist England verloren. Mein Mann und mein Bruder müssen sich treffen, sie müssen ihre Freundschaft erneuern. Edward hat keine anderen Verbündeten. Ihr müsst gehen, Ihr müsst. Bitte überlegt es Euch noch einmal.«
Anne de Bohun senkte den Blick. In den Augen der Herzogin von Burgund, Margaret von England, standen Tränen. Anne ertrug es nicht, sie weinen
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