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Der Triumph der Heilerin.indd

Titel: Der Triumph der Heilerin.indd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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»Wissen« klick »um« klick » Kräuter.«
    Der hagere Mann, dessen Kleider so alt und verschlissen waren, dass sie eher graugrün als schwarz aussahen, verneigte sich schweigend, die Hände in seinen weiten Ärmeln verborgen.
    Schweigen ohne Furcht war für den König immer etwas Überraschendes. »Aber Ihr seid kein Blutsauger, kein Arzt?« Louis de Valois war argwöhnisch. Warum antwortete der Mann nicht? »Ich will keinen Arzt an mich heranlassen, das wisset wohl.«
    Der Mönch blickte auf und sah dem König in die Augen. Sein Blick war ruhig und klar. Er schlug das Kreuzeszeichen, erst dann sprach er. Wollte er sich schützen oder den König segnen?
    »Gewiss, einst war ich Arzt am Hof des englischen Königs, Euer Majestät. Doch vor einigen Jahren habe ich diesem Amt und meinem weltlichen Dasein entsagt. Jetzt habe ich diesen Titel abgelegt, denn er war der Grund für mein Verderben. Ich studiere die Kräuterkunde und stelle mein Wissen in den Dienst aller Armen, die meiner Hilfe bedürfen. Kräuter sind einfache, von Gott geschaffene Dinge« - er bekreuzigte sich und alle im Audienzsaal, der König eingeschlossen, folgten seinem Beispiel -, »deshalb können sie nicht schlecht sein, denn der Herr hat sie zur Erde gebracht, damit sie Seinem Willen dienen sollen. Anders das Tun eines Menschen, das zum Bösen sich wenden kann.«
    Louis sah den Mann prüfend an. War dieser Mönch vom Heiligen Geist beseelt, dass er so leidenschaftlich sprach? Wahrscheinlich war er auch ein Verräter, jedenfalls gegenüber seinem früheren Herrn. Der König runzelte die Stirn. Mochte er viele seiner Mitkönige hassen, aber Respektlosigkeit gegenüber der Krone kam fast einer Gotteslästerung gleich.
    »Welchem König habt Ihr gedient?«
    Der Mönch verneigte sich tief. »Majestät, ich ziehe es vor, in der Gegenwart zu leben. Ich gehöre nun Gott und nicht Satan. Jeden Tag aufs Neue preise ich unseren Herrn, den barmherzigen Sohn unseres himmlischen Vaters, dass er mich von diesem bösen Ort und seinen Versuchungen hierher nach Paris geführt hat.«
    Da, schon wieder, dieser Mann weigerte sich, ihm zu antworten und er hatte keine Angst. Der französische König war nun richtig neugierig geworden.
    »Böse, sagt Ihr? Wieso war der englische Hof böse?«
    Bruder Agonistes fiel auf die Knie, dann warf er sich in voller Länge vor Louis auf den Boden, ein unbeholfenes Wesen aus Armen und Beinen. Der dichte Rauch aus den Kohlebecken strich über ihn und bedeckte ihn wie mit einem dünnen Mantel, so dass er kaum noch zu sehen war. Unter dem wabernden, grauen Rauchschleier fing der Mönch an zu husten. Seine Augen tränten. Zwischen den Hustenanfällen sprach er.
    »Ich flehe Euch an, bittet mich nicht, Euch die Abgründe dieses Sündenpfuhls zu beschreiben. Meine Seele war verderbt, und selbst wenn ich dreimal zwanzig und zehn Jahre alt würde, wie es in der Bibel heißt, würde ich den Ruch davon niemals verlieren. Mein einziges Heil sind meine Brüder und die Armen, von denen ich der letzte und der geringste bin und denen zu dienen mir Ehre und Buße ist.«
    Der König drehte sich mit hochgezogenen Augenbrauen zu seinem Kammerdiener Levaux um, der hinter dem Thron stand. Es war lange nicht mehr geschehen, dass menschliches Verhalten ihn erstaunt oder gar belustigt hatte, aber die Vorstellung dieses Mönchs stand den Komödien der Gaukler bei Hof in nichts nach.
    Der König ließ den Mönch, der immer noch nach Luft schnappte, weiter am Boden liegen und dachte über seine Worte nach. Aber dann kratzte er an seinem unerträglich heißen und juckenden Schienbein und bekam blutige Finger davon. Quälende Schmerzen stiegen von seinen Beinen bis in seine Lenden hoch, wo sie zusammen mit den Schmerzen in seinem Bauch einen brennenden Knoten bildeten. Er schloss seine Augen und atmete tiefdurch, um das von den Schmerzen herrührende Übelkeitsgefühl zu unterdrücken. Unwillkürlich stöhnte er auf.
    Die Höflinge traten unruhig von einem Bein aufs andere und wechselten heimlich Blicke. Der König sah erschreckend aus, soweit sie das durch die Rauchschwaden erkennen konnten, grau und schweißbedeckt. Allerdings sah er fast immer so aus.
    Louis' Kammerdiener, der von dem seltsamen Verhalten des Mönchs nicht weniger verblüfft war als der König, merkte, dass die Zeit ungenutzt verstrich. Bruder Agonistes hatte seine Aufgabe noch nicht erfüllt - seine Aufgabe, die jenem Herrn zum Aufstieg verhelfen sollte, der ihn zum König gebracht hatte:

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