Der Triumph der Heilerin.indd
wie schon seit Monaten nicht mehr. Vielleicht hatte der Mönch wirklich recht. Vielleicht tat die Medizin seinen Körpersäften gut. Es geschah selten, dass Louis sich so zuversichtlich, so fröhlich fühlte.
»Hier, mein Freund.« Der König bückte sich im Vorübergehen und tätschelte den Kopf seines neuen Vasallen. »Dies ist ein kleines Zeichen der Anerkennung für Eure treuen Dienste, auch in der Zukunft.« Der König drückte in Philippe de Com-mynes' zitternde rechte Hand einen Ring aus vergoldetem Silber mit einem kleinen, makellosen Saphir von reinstem Blau, der mit Sicherheit sehr wertvoll war.
Philippe verneigte sich tief, ergriff die Hand des Königs und küsste sie. Louis gestattete ihm diese intime Geste mit einem beinahe väterlichen Lächeln. Dann ging er, mit neuer Zuversicht erfüllt, zur Tür des Audienzsaals.
Dort blieb er stehen und drehte sich um. »Übrigens, Philippe, was hat Euch dazu gebracht?«
Der junge Mann errötete wie ein Mädchen, antwortete jedoch mit klarer Stimme: »Mein Cousin, der Herzog, hat mich nicht wie einen Verwandten behandelt.«
Der König überlegte kurz, dann lächelte er. »Stiefelkopf! Wegen des Namens, nicht wahr? Ihr hasst diesen Namen!«
Tränen der Wut und der Erniedrigung brannten in den Augen von Philippe de Commynes, trotzdem bewahrte er eine gewisse Würde, als er antwortete: »Sire, ich kenne keine größere Freude, als Euch und Eurer Familie zu dienen. Meine eigene Familie legt auf meine Loyalität keinen Wert, sonst würde man mich anders behandeln. Ich bin Euer bis in den Tod.«
Seltsam, dachte Louis, als er - zum großen Schrecken der Türwächter - eigenhändig die Saaltüren aufzog. Das klingt beinahe, als meinte er es ernst.
Und dann vergaß er Philippe de Commynes, seinen verletzten Stolz und sogar seine Zwistigkeiten mit dem Herzog von Burgund, denn er schwelgte in der Gewissheit, dass er, Louis de Valois, die Schwachstelle des Edward Plantagenet gefunden hatte. Wenn eine Frau die Verkörperung der Nemesis war, dann diese Anne de Bohun. Und er kannte auch den Mann, der sie auf ihrem eigenen Terrain zu Fall bringen konnte, und wusste von Edwards Verstrickung mit ihr, die ihn so offensichtlich von seinen Pflichten ablenkte.
Bruder Agonistes hatte erzählt, die Frau sei eine Hexe. Louis lächelte schmallippig. Hexen existierten für ihn nicht, aber die Leichtgläubigen glaubten daran. Nun gut, sie sollten ihr Vergnügen haben.
»Der Mönch! Wo ist der Mönch?«
»Hier bin ich, Bruder König, was wünscht Ihr?«
Louis de Valois, König von Frankreich, klopfte Agonistes auf den Rücken. »Bruder, ich habe eine heilige Aufgabe für Euch. Eine Aufgabe, für die Gott Euch Kraft senden wird, die Eure Seele jedoch vernichten kann, solltet Ihr versagen. Kommt, wir wollen Gott um Stärke bitten. Ihr werdet sie brauchen.« Louis sah den verwirrten Mönch mit einem sanften Lächeln an, nahm vorsichtig seine schmutzige Hand und führte den heiligen Narren in die Kapelle, in der normalerweise nur der König und niemand sonst beten durfte.
»Es geht um den Teufel, mein Bruder, den Teufel und die Fleischeslust. Ja, um den Teufel in der Gestalt der Fleischeslust. Und ich glaube, Ihr seid Gottes Werkzeug im Kampf zwischen diesen beiden Kräften.«
Der Mönch fand endlich seine Sprache wieder. »In welcher Weise, Euer Majestät? Wie kann das sein?«
Der König blieb stehen, wandte sich dem Mönch zu und machte feierlich das Kreuzeszeichen über dessen Haupt.
»Vor vielen Jahren zerstörte eine Frau, eine böse Frau, Euer Leben mit den Verlockungen ihres verderbten Fleisches. Rich-rig?«
Bruder Agonistes erbleichte sichtbar unter der Dreckkruste auf seinem Gesicht. »Ja. Ich war verflucht. Ihre Schönheit stieß mich in bodenlose Verzweiflung. Sie wurde ein Dolch in der Hand des Teufels.«
Der König schloss seine Augen und nickte. Ihm war, als lauschte er einer fernen Stimme. »Und doch lebte diese Frau ungestraft weiter, während Ihr eine verlorene, umherwandernde Seele wurdet?«
Bruder Agonistes nickte. Das stimmte: Die Frau lebte munter weiter, und er war in den vergangenen Jahren zu einem Leben in Armut und Buße verdammt gewesen, um seine peinigende Lust zu sühnen.
Der König riss seine Augen weit auf, in seinem totenähnlichen Schädel sahen sie aus wie glühende Kohlen. »Und wenn ich wüsste, wo diese Frau lebt? Dass sie sich jetzt gerade in ihrem Sündenpfuhl wälzt, zusammen mit diesem ehebrecherischen Thronräuber, dem Grafen von March?
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