Der Triumph der Heilerin.indd
Angelegenheiten, die ...« Unglücklicherweise kam de Commynes ins Stocken. Egal, was und wie er etwas sagte, jedes Wort von ihm würde gierig aufgegriffen und vom klatschsüchtigen französischen Hof zerpflückt werden - und vom burgundischen Hof ebenso, wenn der Herzog davon Nachricht bekam. Er setzte noch einmal an. »Großer König, dürfte ich Euch um die Ehre einer Privataudienz bitten? Eine unerhörte Bitte, ich weiß, aber ...«
»Ich bin doch kein Geistlicher, der sich in dunkler Abgeschiedenheit Beichten anhört, Monsieur de Commynes.«
Der burgundische Gesandte schluckte. Der König war kurz angebunden und sein Ton frostig. Doch dann gestattete sich Louis doch noch einen Blick auf den Bittsteller, sein Gesicht wurde weich und nahm einen neugierigen Ausdruck an. Der Barbier, der alles genau beobachtete, kniff seine Augen zusammen. Dankbarkeit? War das möglich?
»Nun denn, bei dieser Gelegenheit ...« Der König winkte gereizt, man möge den Audienzsaal räumen. »Und Ihr auch!«, bedeutete der König le Dain. Der Barbier war verärgert und misstrauisch. Was hatte dieser verweichlichte Höfling schon zu sagen, das nicht für ihn, den obersten Ratgeber des Königs, bestimmt sein konnte?
»Geht, le Dain. Strapaziert nicht meine Geduld!« Der König hatte sich halb erhoben, um seinem Willen Nachdruck zu verleihen. Jetzt zuckte er gequält zusammen. Seine Beine taten immer noch weh, obwohl sie - langsam - heilten. »Und schickt den Mönch her. Ich brauche ihn.«
Widerstrebend ging der Barbier rückwärts aus dem Audienzsaal. Er war wütend, wie ein kleiner Lakai auf einen Botengang geschickt zu werden. Trotzdem setzte er die Maske heiterer Höflichkeit auf, die alle trugen, die dem König dienten. In welcher Eigenschaft auch immer.
Vor der T ür wechselte sein Gesichtsausdruck abrupt. Philippe de Commynes dachte wohl, er genieße die besondere Aufmerksamkeit des Königs wegen des Vorfalls mit dem Gift. Er aber,
Olivier le Dain, würde dafür sorgen, dass er noch mit dem bur-gundischen Gesandten zusammentraf, bevor dieser die Heimreise antrat. O ja!
Stille machte sich im Audienzsaal breit, als die Höflinge schnatternd und flatternd wie eine lärmende Schar Staren hinausgegangen und die Türen hinter ihnen zugemacht worden waren. Philippe de Commynes hatte seinen Willen bekommen: Er war allein mit dem König. Gebe Gott, dass dieser Augenblick sich als Segen erwies, nicht als Fluch.
»Nun, Philippe, was gibt es so Geheimes, dass Ihr es nicht vor meinen Ratgebern aussprechen wollt?«
»Der englische König, Euer Majestät ...« De Commynes bemerkte den eigenartigen Ausdruck auf dem Gesicht des Königs und interpretierte ihn als Zorn. Er täuschte sich. Es war Angst. »Ich meine, den Grafen von March, den englischen Thronräuber. Er hat sich mit meinem Herrn getroffen.«
Louis musste plötzlich sauer aufstoßen. Er schluckte und bereute es sofort, denn die Säure brannte sich bis in seine Gedärme hinab. Aber der Schmerz lenkte ihn von der Angst ab, die heiß durch seinen Körper floss. »Wann? Und wo?«
»EineJagdhütte im Revier des Herzogs außerhalb von Brügge. Vor ungefähr einer Woche.«
»Waren noch andere zugegen?«
»Nur ich, Euer Majestät. Und eine Lady. Eine Freundin des Grafen.«
Der König schnaubte. »Eine Freundin des Grafen? Unsinn. Männer und Frauen sind keine Freunde. Warum war sie dabei?«
Philippe war unruhig. Er spielte um einen hohen Einsatz, und er hatte die Seiten gewechselt, als er um das Vieraugengespräch gebeten hatte. Natürlich würde der Herzog davon erfahren - aber nun gab es kein Zurück mehr für ihn.
»Ich weiß nicht, edler Herr. Ich konnte ihr Gesicht nicht sehen, aber ich hörte, wie mein Herr ...« Warum fiel es ihm so schwer, dieses Wort auszusprechen? Weil der Herzog nicht länger sein Herr war. »Ich hörte, wie der Herzog ...« Philippe sah dem König direkt in die Augen, und der König lächelte beinahe freundlich. »Ich hörte, wie der Herzog sie mit Lady Anne ansprach.«
Louis de Valois richtete sich in seinem Thron auf. »Lady Anne de Bohun?«
Philippe wunderte sich, doch dann war er beschämt. Natürlich, ein König wusste alles über seine Feinde, was es zu wissen gab, selbst die Namen ihrer Begleiter. »Ich weiß ihren Vatersnamen nicht, Sire. Aber sie wartete die ganze Nacht auf den Kö ... auf den Grafen. Und ritt mit ihm in der Morgendämmerung davon.«
Louis knurrte zufrieden. Die geheimnisvolle Dame musste warten, jetzt gab es wichtigere
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