Der Tschernobyl Virus
junge Bursche war mit dieser Mission absolut überfordert. Aber auch Koch selbst verspürte dieses unwohle Gefühl im Magen. Auch die Tatsache, dass die Aktion anscheinend eine militärische Sache war, beunruhigte ihn noch mehr.
»Schaut mal, da«, plötzlich rief Marie in die Runde. Sie zeigte mit ihrem Finger aus dem Fenster. Sie sahen den ersten Checkpoint, der die Zufahrt zur gesperrten Zone kontrollierte. Schon während der Bus sich näherte, kamen drei Soldaten aus dem Kontrollhaus. Zwei der Soldaten hielten ihre Maschinengewehre im Anschlag und der dritte, anscheinend der Ranghöchste, trug das Maschinengewehr um die Schulter. Der Bus hielt an, und der Fahrer öffnete die Tür. Die beiden anderen Soldaten hatten sich an den beiden Seiten des Busses in Position gebracht und hielten die Maschinengewehre auf den Busfahrer gerichtet. Der sagte etwas zu dem Soldaten und übergab dann ein Schreiben. Der Soldat las das Schreiben und reichte es dem Fahrer. Dann brüllte er etwas, und auf der Stelle nahmen die anderen Soldaten ihre Gewehre zur Seite und der Schlagbaum öffnete sich. Der Bus setzte sich wieder in Bewegung.
Koch atmete erleichtert aus. Auch der Rest der Gruppe schien sich etwas zu entspannen. Es dauerte noch eine halbe Stunde, bis sie an einem Lager ankamen. Während der Fahrt innerhalb der Sperrzone hatten alle nach sichtbaren Hinweisen der Strahlung gesucht. Es war schwer, eine solche Bedrohung zu erfassen, wenn man sie nicht sehen konnte. Die Natur schien unbeeindruckt von der Strahlung.
»Schon komisch«, Marie unterbrach die Stille.
»Was ist komisch?« Koch sah sie interessiert an, dankbar für ein wenig Konversation.
»Ich dachte, man muss irgendwas merken, wenn man in die Zone einfährt.«
»Wie, was merken?« Kempe stieg in die Unterhaltung mit ein.
»na ja«, Marie zuckte mit den Schultern, »ich weiß doch, dass man Strahlung nicht sehen kann. Aber wir fahren hier, mitten in der Sperrzone, hier herrscht hohe Strahlung, aber die Natur ist wie immer. Irgendwie hatte ich mir vorgestellt, dass die Bäume, was weiß ich, keine Blätter mehr haben. Auf alle Fälle nicht, dass die Natur einfach so weitermacht wie bisher.«
»In der Natur gibt es auch so radioaktive Strahlung«, Shu mischte sich jetzt auch ein, »das macht der Natur nichts aus. Wir Menschen und Tiere, wir kriegen unser Fett weg.«
Marie nickte und sah wieder aus dem Fenster, sie blickte auf zwei Hasen, die unbekümmert auf dem Feld umherzuspielen schienen, »Auch dass hier Tiere leben, hatte ich nicht gedacht.«
»Mutanten, sage ich euch«, Koch konnte einfach nicht anders, »Milch trinkende Mutanten.«
Endlich gab es wieder etwas zu lachen in dem Bus. Danach herrschte wieder nachdenkliche Stille.
Es war Kempe, der die Baracken des Militärlagers als erster sah. Diese Baracken waren so, wie sie es sich vorgestellt hatten. Die einfachen, gelb gestrichenen Häuser mit den flachen Dächern, die eher an Wohnwagen, denn an Häuser erinnerten, ließen keinen Zweifel aufkommen, dass hier niemand länger als unbedingt nötig bleiben sollte. Was überraschte war die große Anzahl an Baracken. Es gab ein richtiges kleines Straßensystem und es wirkte wie eine Kaserne. Als sie an einem größeren Haus angekommen waren, hielt ihr Bus, und sie stiegen alle aus. Koch streckte sich und sah sich um. Nach einiger Zeit ging die Tür zu dem großen Haus, das anscheinend die Verwaltung war, auf und ein bekanntes Gesicht erschien. Koch ging ihm sofort entgegen, »Dr. Lehman, es freut mich, dass sie auch zu unserem Team gehören.«
»Nicht nur ich«, Lehman nickte auch allen anderen Teilnehmern zu, »darf ich ihnen meine Frau Anastasia vorstellen.« Er zeigte zur Tür und eine wunderschöne Frau erschien im Eingang. Es verschlug nicht nur Koch die Sprache, auch die anderen männlichen Teilnehmer schienen überwältigt von dem Anblick, der sich bot. Wie in einem Hollywood-Film kam Anastasia die Treppe herunter zu der Gruppe. Koch sah kurz zur Seite und blickte in Ming Shus Augen, die ihn anstarrten. Sie sah eifersüchtig aus. Koch musste grinsen. Schien es doch so, als ob sie die Gefühle, die er so langsam für sie entwickelte, erwiderte. Er schaute wieder in die Richtung, aus der Anastasia kam und zuckte leicht zusammen, als er feststellte, dass sie nur wenige Zentimeter vor ihm stand. Er musste sie anstarren, konnte nicht anders. Sie sah noch umwerfender aus, als auf dem kleinen Foto in Lehmans Brieftasche.
»Darf ich euch meine Frau
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