Der Tuchhändler (German Edition)
die Gasse auf mich zubewegten. Ich behielt sie im Auge, mißtrauisch, was sie vorhätten. Zwei von ihnen waren stämmige Kerle, und sie lachten und schwankten so deutlich von einer Gassenseite zur anderen, daß ich wußte, ihre Räusche waren nur gespielt. Den Dritten schleppten sie gar zwischen sich herum, als ob er nicht mehr alleine gehen könne. Ich führe immer einen kurzen Dolch bei mir, und ich umfaßte seinen Griff fester, als die drei sich näherten. Ich war nicht mehr weit von zu Hause entfernt, und ich war entschlossen, mein Heil in der Flucht zu suchen; sollten sie mich allerdings verfolgen, wollte ich ihnen meinen Pelz so teuer wie möglich verkaufen.«
Er machte ein Gesicht, das mich zweifeln ließ, ob er den Dolch jemals benützt hätte. Er schien es selbst zu bezweifeln, denn er machte eine resignierte Handbewegung.
»Wir begegneten uns, jeder auf seiner Seite der Gasse, ein wenig unterhalb des Leutgeb-Hauses. Sie taten so, als würden sie mir keinen Blick gönnen; ich hingegen starrte zu ihnen hinüber, um auf jedes noch so kleine Anzeichen von Angriffslust gefaßt zu sein. Dann sah ich dem dritten Mann ins Gesicht, und ich erkannte den Flößer, den Ihr als Spitzel angestellt hattet. Er hatte die Augen halb geschlossen und den Mund offen. Als einziger der drei war er wirklich nicht bei Sinnen.«
»War er betrunken?« warf ich hastig ein. Er zuckte mit den Schultern.
»Betrunken; oder halb betäubt, wie durch einen festen Schlag auf den Kopf. Die beiden, die ihn voranzerrten, grinsten und grölten ein paar Reime, aber auch einem Idioten wäre aufgefallen, daß sie es nur mit halber Lautstärke taten. Sie hatten nicht die geringste Absicht, irgend jemanden in der Gasse aufzuwecken, und sie waren nicht betrunkener als ich selbst. Wir gingen aneinander vorbei, ohne daß etwas geschehen wäre. Ich drehte mich nach ihnen um, und ich erschrak, als mir auffiel, daß die Beine des Flößers an den Knöcheln zusammengebunden waren. Ich kam bis zur Haustür meines Vaters; die ganze Zeit über dachte ich nach, was diese Komödie zu bedeuten hatte. Schließlich legte ich meine Tasche ab und trat wieder auf die Gasse hinaus, um den Männern nachzuschleichen. Meine Angst hatte sich gelegt, als ich Euren Spitzel erkannte; ich weiß, das war unvernünftig, aber so verhielt es sich nun einmal. Ich folgte ihnen vorsichtig, aber sie drehten sich nicht um. Sobald sie sich allein dachten, fiel die Komödie von ihnen ab, und sie schritten zielbewußt und hastig voran, den Flößer in ihrer Mitte halb tragend, halb schleifend. Fast schon am Ende der Gasse, wandten sie sich nach rechts und verschwanden zwischen zwei Häusern. Ich ließ ein paar Sekunden verstreichen, bevor ich ihnen folgte; ich wußte nicht, ob sie nicht etwa gleich hinter der Ecke auf mich warteten. Aber sie hatten noch immer keinen Verdacht geschöpft. Ich sah eine hellere Öffnung im dunklen Schatten der Stadtmauer – eines der Flößertore. Ich huschte mit klopfendem Herzen näher. Sie hatten offenbar einen Schlüssel dazu; sie hatten es ordentlich aufgesperrt und waren ins Freie gegangen. Vielleicht hatte der Flößer einen Schlüssel besessen.«
»Nein«, warf ich ein. »Er war nicht aus Landshut. Sie mußten den Schlüssel von jemand anderem haben; oder sie gehörten selbst zu den Landshuter Flößern.«
Er zuckte mit den Schultern und setzte seinen Bericht fort. Die Anspannung war jetzt ein wenig von ihm gewichen; seine Hände lagen flach auf dem Tisch, und nur seine Finger zuckten noch leicht, als die Erinnerung an die Szene, die er beobachtet hatte, ihn einholte.
»Ich wagte es nicht, ihnen durch das offene Tor zu folgen. Aber es war leicht, an den Türbohlen hochzuklettern, um auf den Kranz der Stadtmauer zu gelangen. Ich hoffte, von dort sehen zu können, wohin sie sich gewandt hatten. Es war dunkel draußen; man konnte keine Gesichter erkennen, aber die drei Gestalten waren deutlich zu unterscheiden; zudem hörte ich ihre Schritte im Kies. Ich hörte auch das Lachen, das vom Lager der Flößer flußabwärts herüberwehte: Es waren nur noch ein paar Stimmen, und sie waren heiser vom Singen und Plärren. Die zwei Männer mit denn Flößer in ihrer Mitte wandten sich flußaufwärts, aber sie gingen nicht allzu weit weg. Ich sah, wie sie stehenblieben und diskutierten, dann wandten sie sich zielstrebig zum Fluß. Das Wasser war schwarz in der Dunkelheit, wie ein dicker Strich aus Tinte. Sie wateten hinein, bis sie vielleicht knietief im
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