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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Gang und stellte die Kerze auf dem Tisch ab. Sie nickte mir und ihr zu und verschwand lautlos wieder durch die Tür. Ich hatte plötzlich das Gefühl, als sei einer meiner surrealen Träume zum Leben erwacht.
    Als die Flammen nach oben flackerten, erschauerte sie und trat zum Feuer. Sie streckte beide Hände danach aus und bewegte die Finger. Ich stellte mich neben sie und faßte nach der Kapuze des Chaperons; sie schnürte ihn vorne auf und ließ mich ihn von ihren Schultern ziehen. Ich legte ihn auf die Bank und streckte die Hände nach dem Kragen ihres Mantels aus. Sie wand sich heraus, ohne mich anzusehen. Sie trug nochmals das goldene Kleid, und selbst ich als Mann konnte erkennen, daß der Brokat fleckig und rauh war, als sei er naß geworden. Auch der Atlas des Mantels war klamm und feucht; ich hielt ihn ausgebreitet vor das Feuer.
    Sie sah mich von der Seite her an. Ihre Augen schimmerten jetzt von flüssigem Gold. Ich sah, daß sie tiefe Schatten darunter hatte, und die Grübchen um ihre Mundwinkel waren stärker ausgeprägt denn je.
    »Ich bin keine Zofe«, sagte sie schließlich.
    Ich nickte. Ich war auf alles gefaßt. Wenn sie wie Johannes Reckel versucht hätte, Information gegen Information zu tauschen, hätte ich ohne zu zögern eingewilligt.
    »Meinem Vater gehört ein Handelshaus in Krakau, etwa so groß wie Eures«, fuhr sie fort. »Es trägt seinen Namen. Aber er ist ein alter Mann und kaum noch in der Lage, die Geschäfte zu führen.«
    »Ihr führt sie für ihn.« Ich wunderte mich nicht einmal, daß ich nicht schon eher darauf gekommen war. »Ich hätte es mir denken müssen; Ihr habt es mit jedem zweiten Satz zu erkennen gegeben.«
    »Habe ich mich so schlecht verstellt?« fragte sie.
    »Nein«, sagte ich und merkte, daß ich lächelte. »Aber ich habe schlecht hingesehen.«
    »Kaum jemand weiß davon; auf jeden Fall keiner unserer Handelspartner«, erklärte sie. »Niemand würde einer Frau etwas abkaufen. Vater hat noch genug Kraft, die Verhandlungen zu führen, aber der Kopf dahinter bin ich.«
    »Habt Ihr keinen Verwalter?«
    »Wir hatten einen. Er war gut. Aber er wollte nicht unter den Befehlen einer Frau arbeiten.«
    »Euer Vater gab doch die Befehle.«
    »Aber ich dachte sie mir aus.«
    Ich nickte. Im Schein des aufflackernden Feuers spielten ihre Wangenmuskeln. Ich fühlte keine Ungeduld mehr. Sie würde ihre Geschichte so erzählen, wie sie mußte, und ich war damit zufrieden.
    »Als ich von der Hochzeit erfuhr, plante ich, den Zug zu begleiten, um Handelsbeziehungen mit Euren Kaufleuten zu knüpfen. Vater meinte, niemand würde mich jemals mitnehmen. Aber er ließ seine Beziehungen zum Königshof spielen, und schließlich erklärte sich Gräfin Jagiello gegen eine Beteiligung an meinen Abschlüssen bereit, mich als ihre Zofe mitzunehmen.«
    »Kein schlechtes Geschäft.«
    »Ich mußte nicht für sie arbeiten«, sagte sie rasch. »Tatsächlich habe ich sie die meiste Zeit nicht zu Gesicht bekommen.«
    Sie schwieg und starrte ins Feuer. Sie hatte immer noch ihre Hände danach ausgestreckt, als ob sie alle Wärme aufnehmen wollte, die die Flammen abgaben.
    »Was geschah in Landshut?« fragte ich sanft.
    Sie warf mir wieder einen ihrer raschen Blicke zu.
    »Es war leicht für mich, mich in der Stadt zu bewegen«, erklärte sie. »Vater hatte darauf bestanden, daß ich als Kind nicht nur Latein und Griechisch lernte. Um Cicero zu lesen, brauchst du Latein, hatte er einmal gesagt. Um dir die Muße zu erkaufen, Cicero zu lesen, brauchst du Deutsch. In dieser Sprache wird gehandelt und Geld verdient. Ich hatte gehofft, die Landshuter Kaufleute wären nicht so verbohrt wie in meiner Heimat und würden auch mit einer Frau Geschäfte machen. Also begann ich sie heimlich aufzusuchen.«
    »Entgegen des herrschenden Verbots«, sagte ich.
    »Entgegen des herrschenden Verbots«, bestätigte sie. »Die meisten Eurer Landsleute hatte ich richtig eingeschätzt. Sie waren entweder freidenkend oder geldgierig genug, um sowohl über mein Geschlecht als auch über das Risiko hinwegzusehen. Vielleicht dachten sie, sie könnten mich leicht über den Tisch ziehen – eine Frau, die sich im Handeln versucht.«
    Sie lächelte spöttisch, aber das Lächeln verlor sich wieder.
    »Sie haben sich vermutlich getäuscht«, sagte ich. Sie nickte und zuckte gleichzeitig die Schultern.
    »Laßt mich raten«, sagte ich dann. »Als ich bei der Delegation erschien und meine Fragen stellte, dachtet Ihr, ich sei ein

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