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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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daß in der Stadt etwas Unvorhergesehenes passieren könne.
    Nein, es war Zeit, sich an jemanden zu wenden, den ich schon zu lange vernachlässigt hatte. Ich setzte mich mit tauben Beinen in Bewegung, in Richtung des herzoglichen Stadtpalastes, in dem die polnische Delegation untergebracht war. Es gab dort zwei Dinge für mich zu tun: Albert Moniwid zu überreden, mich nach Burghausen zu begleiten, und mit Jana Dlugosz zu sprechen. Ich atmete tief und fühlte die Ohnmacht in meinen Beinen. Das Siegel des toten Schreibers lag schwer und nutzlos in meiner Tasche.
    Landshuter Wappner standen vor dem geschlossenen Tor zur Stadtresidenz und sahen mich neugierig an, als ich keuchend vor ihnen stehenblieb. Ich war fast die ganze Strecke gerannt. Ich deutete auf das Tor und sagte: »Ich möchte hinein.«
    »Und was wollt Ihr dort drin?« fragte einer der beiden Männer.
    »Ich muß mit dem Anführer der polnischen Delegation sprechen.«
    »Da seid Ihr hier an der falschen Stelle.«
    »Wollt Ihr mich auf den Arm nehmen?« polterte ich.
    Der Wappner zuckte zusammen und sagte dann in höflicherem Ton:
    »Es ist niemand dort drin. Sie sind alle in Richtung Eching aufgebrochen, um die verschiedenen Plätze zu testen, an denen sie sich zur Aufmunterung des Hochzeitszuges entlang der Strecke Stechen liefern wollen.«
    »Alle?« rief ich. »Auch die Frauen? Auch die Dienstboten?«
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Ich weiß nur, daß man uns befohlen hat, hier aufzupassen, weil die Residenz bis heute nacht leersteht.«
    »Habt Ihr nachgesehen, ob sich noch jemand dort drin aufhält?« fragte ich atemlos. Er sah mich an, als hätte ich soeben polnisch mit ihm gesprochen.
    »Natürlich nicht«, erwiderte er würdevoll.
    »Dann steht sie also vielleicht doch nicht leer ...«
    Er wandte sich um und umklammerte den Riegel des Tores. Er rüttelte daran.
    »Seht Ihr«, sagte er. »Es ist verschlossen.« Er holte einen klobigen Schlüssel aus dem Inneren seines Gürtels und hielt ihn mir vor das Gesicht. »Und das ist der Schlüssel dazu. Ich selbst habe abgeschlossen. Wenn sich noch jemand in der Residenz aufgehalten hat, ist er jedenfalls bis zur Rückkehr der Delegation eingeschlossen. Und ich glaube kaum, daß jemand das gerne hätte. Ich sage Euch, sie sind alle ausgeflogen.«
    Ich nickte und wandte mich ab. Ich wußte nicht mehr, was ich tun sollte. Ich holte mein Pferd und ritt nach Hause.
    Sie kam kurz nach mir auf dem Hof an. Ich saß im Dunkel der Stube und sah der Dämmerung zu, wie sie den Raum erfüllte, als die Hunde anschlugen und zwei meiner Dienstboten nach draußen liefen, um nachzusehen. Sie kamen mit einem verlegenen Grinsen zurück und baten mich, vor die Tür zu gehen. Ich folgte ihrer Bitte fühllos.
    Sie stand mitten auf dem Hof, als wolle sie jederzeit die Möglichkeit haben, durch das Tor hinaus und in die Dämmerung hineinzuflüchten. Ihr Mantel war geschlossen, und die Kapuze des Chaperons war über ihren Kopf gezogen; sie streifte sie nach hinten, als ich vor die Tür trat. Die Hunde hatten sich neben den offenen Flügeln des Tores niedergelassen und betrachteten sie mißtrauisch. Ich war zu erstaunt, um etwas sagen zu können.
    »Ich möchte mit Euch sprechen«, sagte sie übergangslos.
    »Das ist ja nichts Neues«, hörte ich mich sagen. Sie lächelte nicht.
    »Darf ich hineinkommen?«
    Ich trat beiseite und machte eine auffordernde Geste. Sie zögerte so lange, daß ich dachte, sie würde es sich wieder anders überlegen, aber dann kam sie mit den für sie üblichen hastigen Schritten auf mich zu und drückte sich an mir vorbei in die Halle herein. Sie sah sich suchend um, bevor sie mir einen Blick zuwarf. Ich sah, daß ihre Haare wirr waren und ihr Mantel zerdrückt. Diesmal roch ich keinen frischen Duft nach Äpfeln.
    »Die Stube ist dort drüben«, sagte ich. Sie wartete, bis ich die Tür öffnete, dann trat sie hinein. Es war dunkel, und es brannte kein Feuer. Der blaue Mantel ließ sie mit der Finsternis verschmelzen, nur ihr Haar schimmerte matt. Ich schloß die Tür, und sie drehte sich um und sah mich an. Selbst jetzt glänzten ihre Augen von irgendeinem schwachen Licht, das vom Hof durch die dicken Fensterscheiben hereingeworfen wurde. Ich konnte hören, wie ihr Kleid von ihrem hastigen Atem raschelte.
    Jemand klopfte an die Tür und brachte beim Eintreten den warmen Schein einer Kerze mit sich. Es war meine Haushälterin. Ohne ein Wort setzte sie mit geübter Geschicklichkeit das Feuer im Kamin in

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