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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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rannte davon, so schnell ich konnte, aber sie verfolgten mich. Ich hatte noch mein Messer, aber das Zutrauen darin verloren. Ich lief nur und lief, an der Stadtmauer entlang, bis ich zu den Teichen kam und die Böschung zum südlichen Stadttor hinauflief. Irgendwann müssen sie aufgehört haben, mich zu verfolgen. Die Wachen am Stadttor ließen mich ein, nachdem ihnen klar wurde, daß ich zur Delegation gehöre.«
    »Und um mir dies zu erzählen, seid Ihr herausgekommen?« fragte ich erstaunt. Sie schüttelte den Kopf. Dann nickte sie.
    »Was soll das bedeuten?« fragte ich.
    »Ich bin herausgekommen, um es Euch zu erzählen«, sagte sie stockend. »Ich wollte Euch warnen.
    Aber nicht nur das. Ich wollte ... ich hatte Angst um Euch.«
    Ich kniff die Augen zusammen.
    »Angst... um mich?«
    Sie spielte mit ihren Wangenmuskeln, dann streckte sie die Hand aus und fuhr mir mit einem Finger über den Ärmel. Ich hielt den Atem an. Sie ließ die Hand wieder fallen, als sei sie erschrocken über ihre Tat.
    »Ich dachte, sie würden Euch auch ermorden«, sagte sie heiser.
    »Deshalb seid Ihr von der Stadt hier heraus ... Wie seid Ihr hierher gekommen? Etwa gelaufen?«
    »Die anderen haben alle Pferde mitgenommen«, antwortete sie.
    Ich sah sie an. Ich hockte noch immer vor ihr auf dem Boden, mein Gesicht ein wenig unterhalb des ihren. Sie streckte die Hand erneut aus, zuckte zurück und hob sie dann wieder. Sie streckte einen Finger aus und berührte mich sanft an der Nasenspitze. Ich starrte in ihre Augen und ertrank in ihrem Glanz. Sie waren nicht voller Tränen; ich hatte es auch nicht erwartet. Wie im Traum nahm ich ihren Finger in die Faust und hielt ihn fest, als sie versuchte, ihn zurückzuziehen. Sie gab nach, ohne den Blick von mir zu nehmen.
    »Die Gräfin ist tot«, sagte ich in die Stille hinein. Sie schluckte.
    »Ich habe es mir gedacht«, flüsterte sie. »Und Ihr ...«
    »Ich bin, was ich immer gesagt habe«, erwiderte ich. »Ein Kaufmann. Der Stadtkämmerer ist mein Freund; er hat mich gebeten, ihren Tod aufzuklären, ohne daß ein Skandal daraus wird. Sie wurde ermordet, Jana, und wenn Ihr die Details dieses Mordes kennen würdet, könntet Ihr den Stadtkämmerer verstehen.«
    »Wißt Ihr, wer der Mörder ist?«
    »Heute hätte ich es beinahe erfahren«, sagte ich resigniert.
    »Sind es die beiden Kerle, die auch den Flößer umgebracht haben?«
    »Sie haben jedenfalls irgend etwas damit zu tun. Aber ich glaube nicht, daß sie es waren.«
    Sie seufzte tief und schloß die Augen.
    »Ich bin müde«, sagte sie und lehnte sich zurück.
    »Ich lasse Euch ein Bad richten«, sagte ich. Ich stand auf und ließ ihre Hand los. Sie hatte es nicht eilig, sie zurückzuziehen. Sie schlug die Augen auf und ließ mich ein Funkeln ihres Spotts sehen.
    »Rieche ich so streng?« fragte sie. Ich lächelte.
    »Noch viel schlimmer«, erwiderte ich. Sie lächelte ebenfalls und schloß die Augen wieder.
    »Dann laßt das Bad richten, bevor hier noch das Feuer ausgeht«, sagte sie.
    Das Bad war ein gewaltiger hölzerner Zuber in einem der hinteren Räume, der zuzeiten als Lagerraum diente. Jetzt stand er leer, und meine Mägde hatten den Zuber in die Mitte des Raums geschleift, mindestens fünf Dutzend Kerzen um ihn herum plaziert und den Zuber mit heißem Wasser gefüllt, dessen Dunst den ganzen Raum vernebelte und ihn zusammen mit der Wärme der Kerzen in eine Waschküche verwandelte.
    Als ich in die Stube zurückkam, war sie auf dem Stuhl eingenickt. Ich ließ sie schlafen, setzte mich auf die Bank und betrachtete sie, bis eine der Mägde hereinkam und berichtete, das Bad sei bereitet. Jana erwachte, warf einen verwirrten Blick um sich und schien sich dann zu erinnern, wo sie war; sie lächelte mir zu und folgte der Dienstmagd hinaus. Ich blieb in der Stube sitzen und versuchte festzustellen, was Maria von dieser Situation halten würde, aber Maria war im Moment nur eine Erinnerung, die mich nicht mit Schmerz, sondern mit Liebe erfüllte, und wenn ich sonst nichts für sie gefühlt hätte, dann wäre ich Jana wenigstens für diesen friedvollen Augenblick dankbar gewesen. Ich stand auf und marschierte zur Badestube.
    Sie hatte den Kopf auf den Rand des Zubers gelegt und die Augen geschlossen. Sie hielt sich mit beiden Armen an der Umfassung fest, und ich sah ihre Haut durch den Wasserdunst schimmern. Mantel, Kleid und Unterkleid lagen in einem unordentlichen Haufen auf einem Schemel vor dem Zuber. Ich erkannte zu meiner

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