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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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besuchen?«
    »Steht etwas darüber in dem Schreiben des Stadtkämmerers?« fragte ich zurück.
    Er stutzte und streckte instinktiv die Hand danach aus, bevor er den Kopf schüttelte.
    »Nicht daß ich wüßte«, sagte er zögernd.
    »Dann«, knurrte ich, »könnt Ihr Euch vielleicht denken, daß es Euch auch nichts angeht, warum ich sie sprechen will.«
    Sein Unterkiefer klappte herab, und er starrte mich entgeistert an. Ich funkelte ihn an und bemühte mich, ihn nicht merken zu lassen, daß ich meiner Sache gar nicht so sicher war.
    »Macht schon«, sagte ich grob. »Bringt mich zu ihnen.«
    Er setzte sich hart auf seinen unbequemen Schemel und begann in seinen Listen zu blättern. Während er es tat, lief sein Gesicht rot an. Ich sah, daß er sich über meinen Tonfall zu ärgern begann, aber jetzt wagte er nicht mehr, dagegen aufzubegehren. Nach einer Weile sah er hoch und bemühte sich, mit normaler Stimme zu sprechen:
    »Sie sind nicht hier.«
    »Was soll das heißen?« stieß ich hervor, noch bevor mir die volle Bedeutung seiner Worte klarwurde. »Wo sind sie denn?«
    Er spähte in seine Aufzeichnungen, dann sagte er: »Sie wurden nach Burghausen verbracht.«
    Ich dachte aufgebracht: Zum zweiten Mal holt man mir die Gefangenen vor der Nase weg. Das darf nicht wahr sein. Es darf nicht wahr sein.
    »Wer hat das angeordnet?« hörte ich mich fragen.
    »Der Stadtoberrichter Meinhard Girigel.«
    »Was soll das?« platzte ich heraus. »Der Richter ist überhaupt nicht in der Stadt.«
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Gestern«, erklärte er mit herablassender Ungeduld, »suchte uns ein Mann auf, der sagte, man habe ihn benachrichtigt, daß ein paar gefährliche Übeltäter gefangen worden seien. Er sei deswegen eigens aus Burghausen nach Landshut gekommen. Er konnte sich zufriedenstellend als Abgesandter von Richter Girigel ausweisen.«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich konnte es immer noch nicht fassen. »Was hat er daraufhin getan?« fragte ich.
    »Er hat einen Transport zusammengestellt und die Überführung der Männer nach Burghausen veranlaßt. Er hatte noch einen Begleiter bei sich, der ihm die Burschen bezeigen konnte, und wir haben sie in Ketten gelegt und ihm mitgegeben.«
    Ich lehnte mich gegen die Wand und hatte kurzzeitig das Gefühl, daß sich mein Magen umdrehte. Der Richter. Er zerstört alles, dachte ich. Warum hat er sich denn nicht mit uns abgesprochen? Warum hat er seinen Beauftragten nicht bei Hanns Altdorfer vorbeigeschickt? Die Antwort darauf kannte ich nicht; es sei denn, die verstreichende Zeit und seine Hilflosigkeit in Burghausen hatten ihn sein Vertrauen zu uns verlieren lassen und er dachte, er könne – er müsse den Fall selbst aufklären. Vielleicht hatte auch sein Beauftragter den Stadtkämmerer nicht angetroffen und auf eigene Faust gehandelt. Ich schüttelte erneut den Kopf.
    Der Wappner hielt mir ein Pergament hin.
    »Hier hat er gesiegelt, wenn Ihr es mir nicht glaubt.« Er konnte die Schadenfreude in seiner Stimme nicht unterdrücken.
    »Ist schon gut«, sagte ich.
    »Warum reitet Ihr nicht nach Burghausen?« schlug er hämisch vor. »Sie sind gestern nachmittags aufgebrochen; wahrscheinlich sind sie noch gar nicht lange dort eingetroffen. Vor morgen wird die Folter kaum beginnen.«
    Er betrachtete mich regungslos. Ich wußte nicht, wofür er mich letztlich hielt; ich nehme an, für einen Freund oder Verwandten der Delinquenten, der besonders gute Beziehungen zum Rat der Stadt besaß. Es machte ihm Freude, es mir zu geben, besonders nachdem ich ihn so gedemütigt hatte. »Sie sollen einen recht humorlosen Henker dort haben, habe ich gehört«, setzte er hinzu.
    Ich faltete Hanns Altdorfers Schreiben zusammen und steckte es wieder zurück in den Mantel. Ohne ihn noch einmal anzusehen, machte ich kehrt und verließ das Gebäude. Ich stand wieder am Anfang; oder nein, noch schlimmer: Ich sah das Ziel vor Augen, aber jemand hatte es gerade aus meiner Reichweite gerückt.
    Ich konnte nach Burghausen reiten, wie der Wappner mir gesagt hatte. Richtig; aber bis ich den Richter überzeugt hätte, daß er sie mir überlassen sollte, und mit den Männern wieder hier war, vergingen mindestens drei Tage.
    Es gab keine andere Wahl für mich, als es wenigstens zu versuchen. Aber ich brauchte jemanden, der mich begleitete; jemanden, dessen Beisein Richter Girigel vielleicht überzeugen würde, sich auf meine Bedingungen einzulassen. Hanns Altdorfer fiel aus; er wäre unterwegs vor Sorge gestorben,

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