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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Zumindest, bis ich alle Einzelheiten wußte; ich wollte nicht glauben, was ich erfuhr. Ich hatte sieben Jahre gewartet; und ich war zu spät gekommen.«
    Unerwarteterweise meldete sich Moniwid zu Wort.
    »Ihr habt eine unglaubliche Geduld gezeigt. Sieben Jahre zu warten und sich um andere Dinge zu kümmern, bevor Ihr wieder die Spur aufnahmt.«
    »Ich hatte bereits einmal meine gesamte Familie und all mein Hab und Gut verloren«, sagte Reckel leidenschaftslos. »Ich wollte unter keinen Umständen noch einmal etwas riskieren. Ich haderte monatelang mit dem Schicksal. Ich sagte mir, daß all meine Suche eitel und von Gott nicht gewollt sei. Er, der Ausdauer belohnt, hatte mich zweimal kurz vor dem Ziel scheitern lassen. Vielleicht wollte er, daß ich Ebran vergab und nicht länger nach dem Geld meines Vaters verlangte.«
    »Glaubtet Ihr das?« erkundigte ich mich zweifelnd. Reckel lächelte fein und sah mich an.
    »Eine ganze Weile glaubte ich, es zu glauben«, sagte er gelassen. »Dann klang der Schock ab.«
    »Was tatet Ihr daraufhin?«
    »Was wohl!« knurrte Moniwid. »Er suchte nach dem Advocatus.«
    »Genau das«, bestätigte Reckel. »Es war nicht leicht; durch die Zeit der Wirrnisse und des Herrschaftswechsel war es beinahe unmöglich geworden, die Bewegungen einzelner Menschen nachzuvollziehen. Nach dem Ende der Auseinandersetzungen begann zudem eine Phase des Aufschwungs, an die sich ein halbwegs guter Kaufmann, wie ich einer geworden war, anhängen mußte, wollte er nicht ins Hintertreffen geraten. Der Amtsantritt Herzog Ludwigs des Reichen und mit ihm die Vertreibung der jüdischen Kaufleute aus Landshut eröffnete mir und meinen Zunftkollegen ganz neue Märkte und bedeutete für manchen vor allem die Rettung vor dem Ruin, denn sie hatten sich bei den Juden bedenkenlos Geld geborgt und steckten bis zum Hals in Rückzahlungsverpflichtungen, denen sie nun nicht mehr nachzukommen brauchten. Ich selbst bedauerte die Austreibung der jüdischen Händler und Geldverleiher, obwohl auch ich auf einen Schlag etlicher meiner Schulden ledig wurde. Es waren viele ehrliche und aufrechte Männer und Frauen unter ihnen gewesen, und der Handel mit ihnen war immer zu beiderseitigem Vorteil gewesen. Viele von den Ingolstädter Kauf leuten gingen nach Landshut«, fuhr Reckel fort. »Sie nannten die Stadt ein Rosengärtchen des Verdienstes und schwärmten davon, welche Möglichkeiten sich ihnen dort eröffneten. Ich wurde oft gefragt, warum ich nicht auch mein Glück dort versuchte; ich habe den wahren Grund niemals genannt. Ich konzentrierte mich auf den Handel mit den Münchnern. Die ganze Zeit über wies ich meine Boten an, die Augen und Ohren offenzuhalten nach dem Verbleib jenes Advocatus, der für Ebrans Tod verantwortlich war. Sie hatten schließlich Erfolg und hinterbrachten mir seine Adresse.«
    »Habt Ihr ihn aufgesucht?«
    »Ja«, sagte er. »Er lebte in einer heruntergekommenen Hütte am Rande Münchens; nur der Himmel weiß, wie es ihn dorthin verschlagen hatte. Er war ein Beamter Herzog Ludwigs des Bärtigen gewesen, und nach dem Amtsantritt Herzog Heinrichs hatte man ihn zum Teufel gejagt. Ich sah ihn und wußte, daß er das Geld nicht haben konnte. Er hätte nicht so erbärmlich gehaust. Sein Geist war getrübt, obwohl er noch kein alter Mann war; er war jünger als ich. Nur an Ebrans Tod konnte er sich erinnern, weil er sich lange darüber Gewissensbisse gemacht hatte. Wie sich herausstellte, hatte nicht er, sondern sein Assistent die erneute Folter angeordnet, ohne daß er davon informiert worden wäre. Er sagte, er hätte es zu verhindern gewußt, und ich glaubte ihm.«
    »Der Schreiber«, sagte ich. »Wußte er, was aus ihm geworden war?«
    »Nein«, antwortete er. »Der Advocatus erklärte mir, daß er, als er vom Tod Ebrans erfuhr – und das war wohl gleich am Tag nach dessen Ableben – seinen Schreiber aufsuchen wollte und dessen Zimmer leer fand. Er hatte ihn niemals wiedergesehen.«
    »Also ...«
    »Also war dieser im Besitz meines Erbes«, vollendete Reckel.
    »Ihr wart wieder am Anfang«, murmelte ich, aber Reckel schüttelte den Kopf.
    »Ich war am Ende«, sagte er. »Es war mir schwer genug gefallen, den Advocatus ausfindig zu machen; aber einen unbekannten Schreiber, der sich wahrscheinlich absichtlich vor der Welt versteckte? Ich hatte nur seinen Namen und seine Beschreibung. Es war ein Ding der Unmöglichkeit. Bis ich vor etwa einem Jahr zufällig wieder etwas von ihm hörte. Er war in Landshut

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