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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Erstaunen, und er pumpte begeistert damit auf und ab. Danach legte er seine andere Hand darüber, ohne mich loszulassen. Seine Finger waren weich, und die Innenfläche seiner Hände zart wie die einer reichen Bürgersfrau. Er wandte den Kopf zu seinem Sohn und rief: »Das ist Herr Bernward von Säldental, mein Junge. Dein Studium verdankst du nicht zuletzt ihm.«
    Der Junge nickte scheinbar gelassen; ich konnte jedoch trotz des schlechten Lichts sehen, daß sich seine Wangen röteten.
    »Ich weiß, Vater«, sagte er verlegen.
    Löw blickte wieder zu mir auf.
    »Ich freue mich«, sagte er nochmals, bevor er meine Hand losließ. Ich war noch immer so überrascht von seiner Begrüßung, daß ich einen Schritt zurücktrat, um Platz zum Nachdenken zu haben.
    »Ich freue mich, daß Ihr Euch freut«, murmelte ich täppisch und verbiß mir im letzten Moment den Nachsatz: Wenn ich auch nicht weiß, weshalb Ihr so voller Freude seid. Ich bemühte mich nach Kräften, meine Fassung wiederzuerlangen. Es gelang mir erst, als mich das Mißtrauen über seine überschäumende Freundlichkeit einholte. Womöglich erwartete er, daß ich ihm ein Geschäft anbieten würde; er lag noch nicht einmal so falsch damit.
    Löw breitete die Arme mit einer Geste des Besitzerstolzes aus.
    »Seht Euch um«, sagte er. »Ich habe vor vielen Jahren als kleiner Apotheker angefangen und immer von der Hand in den Mund gelebt. Heute kann ich meinen Sohn auf die Universität nach Innsbruck senden.« Er strahlte mich an und schien auf eine Erwiderung zu warten.
    »Die Früchte harter Arbeit«, entgegnete ich unverbindlich. Er schüttelte begeistert den Kopf.
    »Nicht nur«, rief er. »Nicht nur. Wißt Ihr, daß ich das erste Geld, das ich beiseite brachte, in einen Handel investierte, den Ihr in Tirol getätigt habt und für den Ihr noch Geldgeber suchtet?«
    Ich zuckte mit den Schultern.
    »Das ist lange her …«, sagte ich zögernd. Er schien es nicht zu hören.
    »Meine Frau wollte mich erschlagen«, fuhr er fort. »Es fehlte nicht viel, und sie hätte es getan. Dann habt Ihr Euren Handel mit großem Erfolg abgeschlossen, und ich bekam mein Geld zurück und noch einmal die Hälfte davon als Gewinn. Daraufhin wollte mich meine Frau zu Tode küssen, und beinahe wäre ihr das auch gelungen.«
    Er hatte eine Art zu sprechen, die einem lustigen Singsang glich; seine Stimme hüpfte bei den Vokalen auf und ab. Es war nicht die Stimme, die ich bei einem Apotheker erwartet hätte. Wenn er damit die Verwendung einer Arznei erklärte, mußte es sich fast anhören, als mache er sich insgeheim über deren Benutzer lustig. Seine offenen, faltenlosen Züge glichen diesen Eindruck jedoch wieder aus; wahrscheinlich war es eher so, daß sie in Verbindung mit seiner beschwingten Sprechweise das Gefühl vermittelten, die bloße Einnahme der verkauften Medizin würde sämtliche Beschwerden im Handumdrehen lindern.
    Mir war noch immer nicht klar, wie ich mich auf die Begeisterung verhalten sollte, die der Mann an den Tag legte. Ich bemerkte, nur um etwas zu sagen: »Glücklicherweise seid Ihr noch am Leben.«
    »Ja«, antwortete er und zwinkerte. »Mit knapper Not. Seit dieser Zeit habe ich immer wieder einmal daran gedacht, in Eure Geschäfte zu investieren; leider hat sich niemals wieder etwas ergeben. Nun, wie auch immer, der damalige Gewinn hat mir neben dem Geld genug Selbstvertrauen gegeben, um mein eigenes Glück zu machen, und das hat es mir wiederum ermöglicht, meinen Sohn studieren zu lassen.«
    Er schlug die Hände mit einem lauten Klappen vor dem Bauch zusammen und schüttelte sich. »Ich rede und rede«, sagte er dann sachlich. »Was kann ich für Euch tun, Herr Bernward?«
    Ich holte Atem. Ich konnte nicht verhindern, daß mein Blick auf die stumme Gestalt des jungen Löw fiel, der hinter seinem Vater stand und ihn mindestens um eine Haupteslänge überragte. Als ich einen Moment zögerte, schien der alte Apotheker meine Gedanken zu erraten.
    »Ihr könnt vor meinem Sohn frei heraus sprechen«, sagte er beruhigend.
    Ich setzte zum Sprechen an und verstummte wieder; ich hatte sagen wollen, daß es mir lieber sei, wenn ich mit ihm unter vier Augen sprechen könne, aber ich wußte nicht, wie ich es ihm erklären sollte. Ich dachte daran, daß mein Verwalter gemeint hatte, Löw würde sich freuen, mir einen Gefallen erweisen zu können, und sein Verhalten schien diese Annahme beinahe zu bestätigen. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, daß dies tatsächlich der

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