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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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wahrgenommen, als er die Tür geöffnet hatte; jetzt trat er unwillkürlich einen Schritt beiseite, und ich erhaschte einen Blick auf ordentliche Reihen dunkler Glasflaschen, die in einem offenen Schrank blinkten. »Ich kann Euch ebenso gut weiterhelfen«, vollendete er.
    »Es handelt sich um etwas anderes«, sagte ich. »Würdet Ihr bitte Euren Vater verständigen?«
    »Wie ist Euer Name?« fragte er nüchtern.
    »Peter Bernward.« Er gab kein Anzeichen, daß ihm der Name bekannt war.
    Ich dachte: Das läßt sich nicht gerade erfolgversprechend an. »Ich bin Kaufmann. Euer Vater kennt mich.«
    Er nickte und trat vollends beiseite. »Bitte tretet ein«, sagte er. »Ich werde meinen Vater sofort holen.«
    Ich drückte mich an ihm vorbei in die Apotheke hinein, und er verließ mich mit einer gemurmelten Entschuldigung. So hatte ich es mir einst vorgestellt: Daniel, mein eigener Sohn, der Geschäftsfreunde und Kunden empfing, wenn ich selbst beschäftigt war, und in die Stube bat. Er hatte es sich anders ausgedacht und mein Haus an dem Tag verlassen, als ihm von Meister Stethaimer die Arbeit eines Steinmetzes an der Kirche angeboten wurde. Seither trafen wir uns einmal im Monat; wenn er viel zu tun hatte, seltener. Wir stritten uns jedesmal. Ich seufzte und sah mich um.
    Die Apotheke war ein finsterer Raum, wenn man einmal darinnen stand. Vom noch dunkleren Gang aus hatte sie hell gewirkt, aber wie immer kam es auch hier auf den Standpunkt an. Von innen zeigte sich, daß das Fenster mit seiner dicken Glasscheibe nur wenig Licht einließ, und die dunkel gebeizten Schränke, Truhen und Regale rings an den Wänden taten ein übriges, den Raum zu drücken. Direkt unterhalb des Fensters stand ein schräges Pult mit zerkratzter Oberfläche und vielen Tintenflecken; ein dickes Pergament war mit metallenen Klammern darauf festgehalten. Ich trat näher und erkannte eine feine, blasse Zeichnung, die auf den ersten Blick zu abstrakt wirkte, um etwas darzustellen, und beim zweiten Blick etwas offenbarte, das Hühnergedärm ähnelte. Sie war noch frisch; der junge Löw mochte sie angefertigt haben.
    Es war klar zu erkennen, daß Löw sich hier einen Arbeitsraum und gleichzeitig das Lager seiner Arzneien eingerichtet hatte. Wo immer es möglich war, hatte er eine kleine Ablagefläche geschaffen, auf der tönerne und gläserne Vorratsbehälter standen, bereit, irgendeine heilbringende Flüssigkeit aufzunehmen oder etwas aus ihrem Inhalt in ein anderes Gefäß abzugeben. Die Decke des Raumes war hoch, und die Regale an den Wänden reichten bis hinauf. Um an die obersten Reihen von Behältern zu gelangen, würde der Apotheker auf einen Schemel steigen müssen. Mein Blick folgte den ordentlichen, dunkel blinkenden Fläschchen und Krügen, die in Reih und Glied auf den Regalbrettern standen, bis oben zur wuchtigen Holzdecke; als ich den Kopf in den Nacken legte, wurde mir fast schwindlig von dem intensiven Kräutergeruch, der in dem kleinen Raum hing. Selbst an der Decke war Platz für Vorräte: Trockensträuße, grobe Säckchen mit verblaßten Blüten und die obszön geformten Umrisse gedörrter Pilze hingen an einer Unzahl von festen Nägeln, die zur Hälfte in die Deckenbalken getrieben waren. Ein Bündel Alraunenwurzeln in einer Ecke sah aus wie eine phantastische Gruppe von gehenkten Zwergen.
    Der Geruch, den die vielen Büschel und Wurzeln ausströmten, war zuerst unangenehm und beißend. Nach einiger Zeit jedoch erlangte er eine beruhigende Qualität; er stieg zu Kopf und machte das Atmen wie auch das Denken leicht. Ich betrachtete die Rücken von mindestens einem halben Dutzend schwerer Folianten und dachte müßig, welches Wissen sich hinter dem fettigen braunen Leder verbergen mochte, als sich die Tür wieder öffnete und Sebastian Löw seine Apotheke betrat.
    Er brachte den Duft gebratenen Specks mit herein, und für einen Augenblick verdrängte das herbe Aroma die medizinischen Gerüche. Der Bratengeruch paßte zu ihm: Er war ein mittelgroßer Mann mit einer Halbglatze und einem prallen runden Bäuchlein, das bedeutend größer war als mein eigenes. Er blinzelte mich kurzsichtig an, aber sein Gesicht hatte sich bereits zu einem breiten Lächeln verzogen. Hinter ihm betrat sein Sohn die Stube und schloß die Tür.
    »Herr Bernward«, sagte der Apotheker mit überraschender Wärme in der Stimme. »Ich bin erfreut, Euch endlich kennenzulernen.«
    Er trat auf mich zu und streckte eine kleine Hand aus. Ich reichte ihm meine voller

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