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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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ihr Land und liefern ihre Produkte in die Stadt. Was Ihr gesehen habt, ist land- und besitzloses Gesindel, um das sich niemand kümmert.«
    Sie schniefte unzufrieden.
    »Auch bei uns ist das so«, erwiderte sie. »Es ist kurzsichtig. Wenn man sich um die Armen besser bemühen würde, müßten sie nicht vom Betteln und vom Straßenraub leben, und die Stadt wäre sicherer. Letztendlich würde das den Behörden sogar Geld sparen.«
    »›Bei uns‹«, sagte ich. »Wo ist das?«
    Sie lächelte plötzlich, aber es war ein gezwungenes Lächeln, das zu viele Zähne zeigte.
    »Ich gehöre zur Vorausdelegation des Hochzeitszuges«, erklärte sie. Ich betrachtete sie aufmerksam; sie erstaunte mich nicht nur aufgrund ihrer Sprachkenntnisse. Sie war mir nicht aufgefallen, als ich gestern mit den Polen gesprochen hatte, und es konnte durchaus sein, daß sie mich belog. Ich sah zum zweiten Mal auf ihre Hände hinunter. Sie waren noch immer so rastlos wie zu Beginn.
    »Ich habe Euch gestern gesehen, als Ihr mit den anderen Mitgliedern der Gruppe gesprochen habt«, fuhr sie fort.
    »Ich habe Euch nicht gesehen. Und dabei dachte ich, Herr Moniwid hätte mir jeden seiner Begleiter vorgestellt.«
    »Ich bin nur eine Bedienstete«, sagte sie bescheiden. Diesmal war ich sicher, daß sie mich belog. Was ich von ihrem Kleid sah, war zu teuer für eine Zofe; desgleichen die Schuhe, deren Leder unter dem dunklen Stoff des Mantels schimmerte.
    »Ich bin erstaunt, daß Ihr Euch die Mühe gemacht habt, die Herren anzusprechen«, sagte sie wie nebenher. »War Euch nicht klar, daß mit ihnen keine Geschäfte zu machen sind?«
    Mit dieser Aussage hatte ich nicht gerechnet.
    »Was meint Ihr?« fragte ich überrascht.
    »Daß die Herren nur von geringem Adel sind, mit notorisch schlecht gefüllten Beuteln«, erläuterte sie. »Ich halte die Idee für naiv, mit ihnen ins Geschäft kommen zu wollen.«
    »Ihr seid sehr offen«, brachte ich hervor, und sie errötete. Sie senkte den Kopf, aber ich hatte den Eindruck, daß sie sich bewußt zu dieser Demutsgeste zwang. Wenn sie tatsächlich eine Zofe war, dann war sie die selbstbewußteste Zofe, die ich jemals gesehen hatte.
    »Verzeihung«, murmelte sie. »Es liegt an der fremden Sprache. Ich wollte Euch nicht beleidigen.« Sie sah mir wieder in die Augen.
    »Euer Einfall war aber trotzdem – nicht zu Ende gedacht«, sagte sie dann mit leichtem Zögern. »Um so mehr, wenn man bedenkt, welches Risiko Ihr damit eingegangen seid.«
    Ich versteifte mich unwillkürlich und konnte einen schnellen Blick zu dem alten Haus ein paar Dutzend Schritte weiter die Gasse hinauf nicht unterdrücken. Es stand so unberührt da wie vorhin; niemand spähte aus einem Fenster oder lungerte in einer offenen Tür, bereit, sich auf mich zu stürzen.
    »Wie darf ich das verstehen?« sagte ich. Es war offensichtlich, daß ihr meine Reaktion nicht entgangen war. Plötzlich begann ich mich unter ihrer intensiven Musterung unwohl zu fühlen.
    Ihr Miene war unbewegt, aber die Stimme angespannt, als sie sagte: »Liegt nicht eine Strafe darauf, vor der Ankunft der Hochzeitsgesellschaft heimlich Handelsgeschäfte mit den Delegationsmitgliedern anzuknüpfen?«
    »Nun …«, sagte ich, aber sie fuhr fort: »Besonders, wenn man dies unter Umgehung der Zunft zu tun versucht. Oder täusche ich mich in meiner Annahme, und Euch hat die Zunft ausgesandt?«
    »Nein«, stotterte ich. »Die Zunft hat damit nichts zu tun …«
    Sie sah mich mit einem Ausdruck an, in dem ich nur Mißtrauen lesen konnte.
    »Dann kann ich nicht verstehen, weshalb Ihr das Risiko einer hohen Geldstrafe eingegangen seid für eine so kleine Gewinnchance. Für einen Kaufmann scheint Ihr nicht viel von Eurem Geschäft zu verstehen.«
    Ich öffnete den Mund, ohne etwas herauszubringen. Ihre Hände waren jetzt ruhig, aber ich sah, daß sie sie fest um ihre Ellbogen geklammert hatte. Sie kniff die Augen zusammen, dann überraschte sie mich plötzlich mit einem breiten Lächeln, das nicht echter wirkte als ihr erstes, aber nach ihrer mißtrauischen Miene völlig unerwartet kam. Sie senkte den Kopf erneut, ohne jedoch die Augen von mir zu lassen.
    »Ich habe mich wohl wieder anders ausgedrückt, als ich es eigentlich wollte«, sagte sie halblaut. »Ich muß Euch erneut um Verzeihung bitten.«
    Ich besann mich und sagte: »Man hat mir mitgeteilt, die Nichte Eures Königs befände sich unter der Delegation. Sie war es, mit der ich Geschäfte machen wollte.«
    Sie schnaubte.
    »Das

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