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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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hört sich vernünftiger an. Aber fürchtet Ihr das Verbot nicht?« Ich setzte mein strahlendstes Lächeln auf. Vermutlich kam es bei ihr ebenso falsch an wie ihres bei mir.
    »Ihr werdet mich doch nicht verraten, oder?« fragte ich sie. »Wäre es umgekehrt, würde ich mir für Euch jedenfalls die Zunge herausreißen lassen.«
    Wenn ich gehofft hatte, damit ihr Mißtrauen zu zerstreuen, hatte ich mich geirrt. Sie zog die Schultern hoch, und ihre Miene verfinsterte sich jäh.
    »Ich habe nichts Unrechtes getan«, rief sie.
    »Ich wollte Euch nichts nachsagen«, sagte ich und hob abwehrend die Hände.
    »Wie sollte ich auch etwas gegen Eure Gesetze anstellen?« fragte sie ruhiger. »Ich tue nur, was meine Herrin mir aufträgt.«
    Aus einem Einfall heraus fragte ich: »Hat sie Euch beauftragt, mich anzusprechen?«
    Sie antwortete nicht. Statt dessen zog sie den Mantel um ihre Schultern und sagte: »Ich muß gehen. Es tut mir leid, daß ich so harsch mit Euch gesprochen habe. Manchmal fallen mir die richtigen Worte nicht ein.«
    Ich rief: »Wer ist Eure Herrin?«
    Sie wandte sich zum Gehen, aber dann drehte sie sich doch nochmals um. Jetzt lächelte sie zum ersten Mal, ohne sich dazu zwingen zu müssen. Scheinbar amüsierte sie sich selbst über ihre Antwort.
    »Die Gräfin Jagiello; die Nichte von König Kasimir«, erklärte sie. Ich war so überrascht, daß ich für einen Moment vergaß, meiner Rolle treu zu bleiben.
    »Wenn sie zurückkommt«, sagte ich dann hastig, als sie mir wieder einfiel, »würdet Ihr ihr ausrichten, daß ich sie sprechen möchte? Sie wurde wohl zur Prinzessin gerufen, habe ich erfahren, um ihr seelischen Beistand zu geben.«
    Sie sah mir wieder in die Augen.
    »Wenn sie zurückkommt«, sagte sie ruhig, »werde ich ihr es ausrichten.«
    Ich sah ihr bestürzt hinterher, als sie mit hastigen Schritten die Gasse hinauf eilte. Wenn ich ihren Blick und ihren Tonfall richtig gedeutet hatte, hatte sie eine ganz andere Antwort auf der Zunge gehabt: Wenn du glaubst, was man dir über den Aufenthaltsort der Gräfin erzählt hat, bist du ein noch größerer Narr, als ich angenommen habe.
    Ich gab mich nicht der Täuschung hin, daß dies ein zufälliges Gespräch gewesen war. Sie hatte die Begegnung mit mir gesucht, und sie hatte versucht, mich auszuhorchen; ihre Anspannung hatte sie verraten. Ich dachte an ihre glänzenden Augen und die Grübchen um ihre Mundwinkel, und der Gedanke, sie könnte in die Ermordung der Gräfin verwickelt sein, begann mir zu mißfallen. Ich wußte, daß sie kein einziges wahres Wort über sich selbst gesagt hatte; ebenso wie ich, und ich nahm an, daß ihr das durchaus bewußt war. Aber was war der Grund für ihren Auftritt?
    Ich wußte noch nicht einmal ihren Namen. Ich hob die Hand und wollte ihr hinterherrufen, aber dann senkte ich sie wieder und schloß den Mund. Ich beobachtete, wie ihre Gestalt um die leichte Krümmung verschwand, die die Gasse hinter dem alten Haus beschrieb. Verwirrt wandte ich mich ab.
    Ich stapfte in die Altstadt zurück, in der sich das Treiben mittlerweile beruhigt hatte, um Hanns Altdorfer über die Kerze in dem verlassenen Haus Bescheid zu geben und danach mein Pferd zu holen. Er war nicht in seiner Amtsstube zu finden, aber ich bat einen seiner Schreiber auszurichten, daß ich den Stadtkämmerer morgen früh wieder aufsuchen wolle. Als ich das Rathaus verließ, fühlte ich mich beinahe erleichtert, meinem Freund nicht begegnet zu sein; es gab noch etliches, worüber ich in Ruhe nachdenken mußte. Ich holte mein Pferd, zankte mit dem Wirt, der noch einmal zwei Pfennige für Heu wollte, das mein Gaul angeblich gefressen hatte, aber ich konnte lauter schreien als er, und nachdem schon ein paar Gäste den Kopf zur Wirtsstube herausstreckten, gab er nach und erließ mir jede weitere Zahlung. Ursprünglich hatte ich bei ihm einen Bissen essen wollen; ich unterließ es und ritt mit knurrendem Magen und leichtem Schwindelgefühl davon.
    Vor dem Spitaler Tor war ein kleiner Menschenauflauf. Als ich näher kam, sah ich, daß einem großen Holzkarren auf dem höllischen Katzenkopfpflaster ein Rad abgesprungen sein mußte: Seine hoch aufgepackte Ladung aus wenigstens mannsstarken Asten und Stämmen hatte sich selbständig gemacht und blockierte in einem gewaltigen wirren Haufen die Tordurchfahrt. Die drei Holzknechte, die die Ladung begleitet hatten, kletterten dazwischen mit hochroten Köpfen umher und versuchten nervös, wenigstens eine schmale Gasse

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