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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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gewöhnlich vor Begeisterung darüber, welches rege Kommen und Gehen unter den kriegerischen Truppen herrschte und wie die Befehlshaber dennoch alles unter Kontrolle hatten. Mehr als einmal drückte der Bischof danach mir gegenüber seine Befürchtung aus, daß die Offiziere ihre das Plündern gewohnten Soldaten bei weitem nicht so sehr im Griff hatten, wie unser einfältiger Gastgeber es vermutete.
    »Dieser Tor sollte sich lieber Gedanken machen, wie er seine Familie von hier wegbringt«, sagte er. »Der Winter steht vor der Tür, die Landsknechte wie die Ritter schlafen im Dreck und haben Hunger, und die Lagerhuren sind entweder zu alt oder zu häßlich, um sie auf die Dauer zu befriedigen.«
    Seine Worte erfüllten mich mit klammer Sorge, und ich nahm die ältere Tochter eines Abends zur Seite und teilte ihr die Befürchtungen des Bischofs mit; aber sie lachte und sagte halb im Scherz: »Wie sollte ich mich in Eurer Nähe ängstigen?«, und ich war geschmeichelt genug, daß ich meine Ängste für dieses Mal vergaß und auch den Umstand, daß ihr in ihrem Zustand naiver Unbekümmertheit das wirkliche Ausmaß der Gefahr, die ihr und ihrer Schwester drohte, nicht im mindesten bewußt war.
    »Wenn die Leute hier so gefährdet sind«, sagte ich einmal zum Bischof, »warum versuchen wir dann nicht, die Verhandlungen so schnell wie möglich zu Ende zu bringen, damit die Truppen aus der Gegend abziehen?«
    »Es wäre unklug, die Geschehnisse forcieren zu wollen. Unser Vorteil besteht darin abzuwarten, bis sich eine Konstellation ergibt, an der wir einhaken können.«
    »Können wir selbst denn gar nichts tun?«
    »Wir könnten eine ganze Menge tun, mein Sohn. Aber wer weiß, ob es das Richtige wäre? Glaube mir, es ist immer besser, so lange zu warten, bis man die Richtung klar erkennen kann, in der man sich zu bewegen hat. Und du wirst zugeben, daß man bei diesen Verhältnissen’ wie sie zwischen den Kriegsgegnern herrschen, froh sein muß, auch nur den Punkt klar zu erkennen, an dem man steht.«
    An einem Tag im Oktober – es hatte seit einer Woche ununterbrochen geregnet, und der Schlamm im Feldlager des Herzogs war so tief, daß es möglich schien, ein ganzes Pferd aufrecht darin zu versenken – befanden wir uns in gedrückter Stimmung auf dem Heimweg; nur unser Gastgeber war aufgekratzt. Er saß auf einem neuen Pferd; sein altes hatte er bei einem der böhmischen Offiziere eingetauscht, und wenn er auch sonst von nichts etwas verstand – Pferdekenntnis besaß er. Er war nicht schlecht bei dem Tausch gefahren und saß voller Selbstzufriedenheit fröhlich schnatternd auf dem Rücken seines neuen Gauls. Der Bischof war schweigsam und machte ein grimmiges Gesicht. Der Feldpriester hatte ihn zuvor zu zwei Männern geführt, die man an einem Baum unweit des Lagers aufgeknüpft hatte: Sie waren schuldig befunden worden, Vorräte der Truppe gestohlen zu haben.
    »Wenn sie schon Diebe mit dem Tod bestrafen, sind die Verhältnisse schlechter, als ich angenommen habe«, hatte der Bischof dumpf gesagt, während wir mit gesenkten Häuptern zu Füßen der Baumelnden gestanden hatten und der Priester ein Gebet gemurmelt hatte. »Wer weiß, was sich sonst noch alles zugetragen hat, von dem wir nur nichts mitbekommen haben.«
    Unser Gastgeber sah die dünne Rauchfahne als erster, die sich über dem geduckten Schatten eines Waldstücks in den grauen Abendhimmel erhob. Sein Plaudern erstarb, und er starrte den Rauch an und danach den Bischof. Die gute Laune verließ sein Gesicht und enthüllte die nackte Panik. Dann kam das Lächeln wieder, als wollte er sich selbst einreden, daß nichts passiert sei; zuletzt verschwand es vollkommen, als er sah, wie sich das finstere Gesicht des Bischofs noch mehr verschloß. Er wurde bleich und schwankte. »Mein Gott«, flüsterte er. »Jesus, Maria und Josef.«
    Er schrie auf und hieb seinem Gaul die Fersen in die Weichen; das Tier machte einen Satz und preschte los. Ich spürte, wie sich mein Magen schmerzhaft verkrampfte, und ich starrte den Bischof nicht weniger hilfesuchend an als unser Gastgeber. Er zog die Mundwinkel nach unten und sah böse hinter dem davonsprengenden Mann her.
    »Ich habe es ja gesagt«, murmelte er. Sein Kopf ruckte zu mir herum, und an dem plötzlichen Erstaunen in seinem Gesicht konnte ich ermessen, wie schreckensbleich ich selbst sein mußte. Ich hatte Mühe, meine Zügel festzuhalten. Die Umgebung ertrank in einer körperlichen Woge der Angst, die selbst den

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