Der Tuchhändler (German Edition)
Wach- und Kirchtürmen die Staubwolke sehen konnte, die darüber in der Luft schwebte, und vermied es ansonsten tunlich, die Ansbacher zu belästigen. Vielleicht hoffte er, durch seine stumme, drohende Anwesenheit die Ansbacher so weit zu verunsichern, daß sie ihm eine gewaltfreie Kapitulation anboten. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Krieg schon wieder festgefahren, und der Bischof und ich folgten abwechselnd dem Troß Herzog Ludwigs und dem des Markgrafen Albrecht; der Bischof wußte, daß unter diesen Umständen, mit der Drohung des nahenden Winters, die Gelegenheit günstig war, einen Waffenstillstand oder gar einen neuerlichen Frieden zu schließen.
Wir bezogen Quartier im Haus eines Landadligen, der sich mit den Erträgen seiner Pächter ein Auskommen gestaltete, das ihm und seiner Familie gerade das Überleben sicherte, ohne ihm Wohlstand zu bescheren, aber auch ohne ihn besorgt in die Zukunft blicken zu lassen. Mit unserer Ankunft und damit dem Beginn des Krieges verwandelte sich seine Sorglosigkeit rasch in Düsternis: Er war nicht reich und nicht gebildet, aber er hatte Augen und Ohren, die weit geöffnet waren, und diese hatten die Nachrichten wohl empfangen, die über die Brandschatzungen und Plünderungen der Söldner beider Kriegsgegner im Umlauf waren. So unglücklich er aber auch darüber war, daß die Kämpfe nun in seine Nähe gekommen waren, so glücklich schätzte er sich doch, uns zu beherbergen. Bischof Peter war ein mächtiger Kirchenfürst, und in seiner (und meiner unbedeutenden) Gegenwart fühlte der Mann sich und seine Familie sicher.
Ich mochte das Quartier. Ansbach lag für einen guten Reiter nicht mehr als eine lange Tagesreise von Augsburg entfernt, mit der Erhebung des Ries als einzigem bedeutenden Weghindernis zwischen hier und dort, und die Möglichkeit, im Zweifelsfall meine Familie relativ schnell erreichen zu können, beruhigte mich. Ich hatte meine Frau und meine Kinder schon seit Wochen nicht mehr zu Gesicht bekommen; aber obwohl ich wußte, daß es mir der Bischof in diesem Stadium der Geschehnisse niemals erlauben würde, mich für mindestens zwei Tage von ihm zu entfernen, beruhigte mich der Gedanke doch, daß es wenigstens denkbar war, zu ihnen zu gelangen. Ich mochte das Quartier auch noch aus anderen, viel unmittelbareren Gründen. Die Familie des Landadligen bestand aus zwei Töchtern und einem alten Mann, der der Oheim des Landadligen war; die Mutter der Mädchen war vor wenigen Jahren verstorben. Das ältere der beiden Mädchen erinnerte mich an meine älteste Tochter Sabina; sie war zwar um viele Jahre älter, aber sie besaß die gleiche Unbekümmertheit und hatte sich jenes kindliche Maß an Freude und Überschwang bewahrt, das auch Sabina zu eigen war. Sie war angenehm; es machte Freude, sich mit ihr zu unterhalten, und ihre Ansichten glichen in vielem meinen eigenen Gedanken. Wenn ich sie ansah, hatte ich das Gefühl, Sabinas Zukunft zu sehen, und diese Erwartung machte mir Freude. Sie kümmerte sich zusammen mit dem alten Mann um den Haushalt und um ihre jüngere Schwester. Da es der Bischof für unter seiner Würde hielt, sich mit ihr abzugeben, blieb es mir überlassen, mich mit ihr auf die Bedingungen unseres Hierbleibens zu verständigen, und es wurde ein beständiger Ideenaustausch daraus. Sie war begierig zu lernen; sie war noch nie von ihrem heimatlichen Hof fortgekommen und brannte vor Neugierde auf andere Menschen, andere Gegenden und Städte. Sie betrachtete mich bald als einen Freund, ungeachtet des Altersunterschiedes zwischen uns; und sogar ihre Schwester schien mich zu mögen, wenn auch nur aus dem Grund, daß der bärbeißige und ständig übelgelaunte Bischof wenigstens in meiner Gegenwart ab und zu auftaute und ein Lächeln sehen ließ. Ich war gern in ihrer Nähe, ich sah gern ihr Gesicht, ich hörte gern ihre Stimme und fühlte eine seltsame Art von Befriedigung in ihrer Gegenwart, als würde ich mich inmitten meiner eigenen Familie befinden, die ich ansonsten schmerzlich vermißte.
Der Bischof und ich hielten uns beinahe täglich bei Herzog Ludwig auf, der die Kampfhandlungen satt hatte und seine größte Chance, die Front seiner Gegner zu durchbrechen, auf dem Verhandlungswege sah. Zuweilen begleitete uns der Landadlige in das Kriegslager, um seine Neugier zu befriedigen oder um sich wichtig zu machen. Er trieb sich zumeist den ganzen Tag bei den Rittern oder bei den Offizieren der Söldner herum, und auf dem Heimweg glühte er
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