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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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machte mir sogar Mühe, mir die in einem Lagerhaus in Innsbruck lagernden Stoffballen vorzustellen. »Ich weiß es nicht«, seufzte ich nochmals.
    »Zumindest kommt die Seidenlieferung einigermaßen rechtzeitig an. Darin steckt das größte Kapital«, sagte mein Verwalter. Ich rief ärgerlich: »Ich habe fast hundertfünfzig Gulden in die Leinwand investiert. Glaubst du, ich will diesen Batzen einfach abschreiben?«
    »Natürlich nicht. Ich wollte Euch nur vor Augen führen, daß nicht alles verloren ist.« Er breitete die Hände aus, wie ein erschrockener Hund einem anderen seine Kehle darbietet.
    »Schon gut«, sagte ich. »Ich wollte dich nicht anschreien.« Er winkte ab; wie immer versuchte er mich nicht nur zu verstehen, sondern auch, mir zu verzeihen.
    »Selbst wenn wir gewillt sind, diesen Halsabschneidern in Innsbruck zu zahlen, was sie verlangen, bekommen wir niemals mehr rechtzeitig eine Karawane zusammengestellt. Wir brauchen mindestens zehn Wagen, wenn mich nicht alles täuscht.«
    »Das schätze ich auch«, brummte der Verwalter. »Wir können den Boten nochmals genauer fragen.«
    »Was nützt es schon? Es würde mindestens eine Woche dauern, bis wir die Lieferung hier in Landshut haben. Bis dahin hat Meister Krel aus Nürnberg sein Zeug zweimal hierher geschafft.«
    »Wir können noch froh sein, daß wir die Stoffe nicht aus Ungarn geliefert bekommen«, sagte der Verwalter. »Den Landweg vom Schwarzen Meer über Pest und Preßburg her haben die Türken vollständig unsicher gemacht. Wenngleich auch das kein großer Trost ist«, fügte er hastig an, um nicht einen weiteren Ausbruch meinerseits zu provozieren. Aber ich war weit davon entfernt, wieder aufzufahren. Ich starrte ihn überrascht an. In meinem gelähmten Gehirn war plötzlich eine Idee entstanden; nein, nicht eine Idee, sondern eher ein Fünkchen, ein kleiner Schimmer, der eine Idee ankündigte. Ich bemühte mich krampfhaft, ihn nicht zu verlieren. Was hatten seine Worte in mir geweckt? Welche Assoziation ließ sich mit seinem unzulänglichen Versuch, mich zu trösten, verbinden?
    Ungarn.
    Ungarische Ochsen und Schafe.
    Ich hörte die Stimme von Sebastian Löw: Ein unproblematisches Zusatzgeschäft für den Besitzer des Floßes, nicht wahr?
    – den Besitzer des Floßes .
    Ich keuchte auf, als mir die Lösung beinahe wie ein vollständiger Plan vor Augen stand. Ich beugte mich nach vorne und packte ihn an den Oberarmen, und er zuckte so erschrocken zurück, daß er beinahe von der Sitzbank gefallen wäre.
    »Aus Ungarn!« rief ich. »Ungarisches Rosenöl. Ungarische Ochsen und Schafe!«
    Sein Gesicht zog sich in einer Maske des Nichtbegreifens zusammen.
    »Ich verstehe nicht...«, stammelte er.
    »Gestern«, sagte ich und zwang mich zur Ruhe. Ich ließ seine Arme los und ballte die Hände nervös zu Fäusten. »Gestern sah ich, wie von den Floßländen Hunderte von Ochsen und Schafen zu den Fleischbänken getrieben wurden. Ein Zuschauer sagte mir, die Tiere stammten aus Ungarn.«
    »Und?«
    »Verstehst du denn nicht?« rief ich. »Sie haben die Tiere mit den Flößen hergebracht. Vermutlich hätte es viel zu lange gedauert, sie aus der ungarischen Tiefebene über Mähren und das böhmische Reich nach Bayern her zu treiben; sie haben sie einfach auf Flöße verladen und die Donau und die Isar hochgetreidelt.«
    Er starrte mich an und versuchte, meinem Gedankengang zu folgen. Es dauerte nicht lange; mit einemmal begann er breit zu lächeln.
    »Ihr meint, wir lassen die Stoffe auch auf Flöße verladen ... «
    »Richtig! Wie lange braucht man von Innsbruck zum Isaroberlauf mit Transportwagen? Das dürften um die vierzig Meilen sein, über den Paß – höchstens zwei Tage. Und mit dem Floß bis nach Landshut? Man braucht die Flöße in dieser Richtung nur mit dem Fluß treiben zu lassen. In vierundzwanzig Stunden lassen sich bestimmt die hundert Meilen von Scharnitz bis nach Landshut zurücklegen. Nochmals zwei Tage. In spätestens vier Tagen haben wir die Stoffe hier; wenn die Näherinnen, die du angestellt hast, fleißig arbeiten, werden sie noch rechtzeitig fertig. Die Prinzessin trifft noch mal sechs Tage danach ein.«
    »Meister Krel aus Nürnberg wird schneller liefern können, fürchte ich«, sagte mein Verwalter. Ich kniff die Augen zusammen und lächelte böse.
    »Wahrscheinlich«, sagte ich. »Er war von Anfang an eine ernstzunehmende Konkurrenz bei diesem Geschäft. Aber zur Zeit habe ich die besseren Beziehungen. Wenn ich zusichern

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