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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Bretter, Vorhangstangen und eine Menge Schutt hinein. Die Stimmen, die ich gehört hatte, waren aus einer offenen Doppeltür gekommen. Ich kletterte über die herumliegenden Teile und trat ein. Es war der Ratsherrensaal; aber nicht einmal sein Erbauer hätte ihn wiedererkannt.
    Er war nun größer; man hatte Wände herausgenommen. Im hinteren Teil fehlte ein großes Stück in der Außenwand, und Teile eines Gerüsts waren durch die Öffnung zu sehen. Dort, wo ich stand, verkleideten Bahnen aus rotem Samt die Wände. An den Seitenwänden und der Wand mit der Öffnung fehlte die Verkleidung. Man würde sie vermutlich anbringen, wenn die Arbeiten dort abgeschlossen waren. Inmitten des Raumes standen zwei Männer: Hanns Altdorfer und Wilhelm Trennbeck. Bei meinem Eintreten drehten sie sich um und sahen mich fragend an.
    »Der Wächter hat mich hereingelassen«, sagte ich.
    Altdorfer verdrehte die Augen und schnaubte.
    »Wahrscheinlich hat er dich für den Zimmermann gehalten«, sagte er. »Wir haben ihn herbestellt.«
    Er wandte sich zu Trennbeck um und fragte: »Kennt Ihr den Kaufmann Peter Bernward, Richter?«
    Trennbeck schüttelte den Kopf, und ich trat näher und drückte ihm die Hand. Er war breit gebaut, aber nicht füllig; er machte den Eindruck eines sehnigen Menschen, dem die Arbeit mit den Händen nicht unbekannt war. Sein Gesicht war lang und kantig, mit einem vorspringenden, blauschimmernden Kinn. Als er lächelte, entblößte er eine Reihe großer, gut gepflegter Zähne, mit denen er hätte Nüsse knacken können. Ebenso strahlend wie sein Gebiß waren seine Augen: ein helles Blau mit einem dunklen Rand um die Iris, das selbst von seinen im düsteren Raum geweiteten Pupillen nicht beeinträchtigt wurde. Ich hatte auf Anhieb das Gefühl, daß er mir als Richter in einem Streitfall lieber gewesen wäre als der kleine, verkrüppelte Girigel.
    Er ließ meine Hand los und sagte: »Ich freue mich, Euch kennenzulernen. Habt Ihr auch mit den Hochzeitsvorbereitungen zu tun?«
    »Nur am Rande«, sagte Hanns Altdorfer hastig, und ich setzte hinzu: »Ich bin an der Stofflieferung des Herrn vom Feld beteiligt.« Der Stellvertreter des Stadtrichters nickte.
    »Es gab Schwierigkeiten, nicht wahr?«
    »Ja. Der Treck wurde in Innsbruck aufgehalten.«
    »Mittlerweile befindet er sich irgendwo zwischen Rosenheim und Landshut«, sagte er. »Der Pfleger des Herzogs zu Kufstein, Christoph Paumgartner, hat Nachricht bringen lassen, daß er die Lieferung gestern entgegengenommen und den Holländer ausbezahlt hat. Wir haben schon dringend darauf gewartet.« Er drehte sich um und wies auf die unverkleideten Wände des großen Saales. »Seht Ihr, wir konnten nicht weitermachen mit dem Ausschlagen der Wände. Nur dort vorn, wo der Kaiser und die Fürsten sitzen sollen, sind wir schon fertig.«
    Ich warf Altdorfer einen raschen Blick zu. Er trat vor Ungeduld von einem Fuß auf den anderen und sah mich drängend an.
    »Was wird das hier?« fragte ich den Richter. »Ich dachte, der Speisesaal sei drüben im Zollhaus?«
    »Wir bauen hier den Tanzsaal auf«, sagte er. »Der Ratsherrensaal erwies sich jedoch als zu klein. Wir lassen dort draußen einen neuen Aufgang errichten, damit man vom Innenhof direkt herauf gelangen kann. Die Treppe, die Ihr gerade heraufgekommen seid, wird verschlagen.«
    »Ein hübsches Stück Arbeit, das noch vor Euch liegt.«
    »Das ist richtig«, seufzte er. »Hier greift mir wenigstens der Herr Stadtkämmerer unter die Arme. Aber drüben beim Zollhaus, wo wir den Speisesaal errichten, muß ich mich mit dem Eigentümer des Nachbarhauses herumschlagen, der mir Knüppel zwischen die Beine wirft, wo er nur kann.«
    »Ich sah Euch gestern, wie Ihr mit ihm diskutiert habt«, sagte ich lächelnd. »Ich hatte zufällig in der Stadt zu tun.«
    »Diskutiert?« dehnte der Richter. »Dann seid Ihr aber in einem frühen Stadium des Gesprächs vorbeikommen. Der Herr von Asch hat uns die Zimmer im ersten Stock seines Gebäudes zur Verfügung gestellt, aber daß wir Türöffnungen vom Zollhaus zu seinen Räumen brechen müssen, wurde ihm angeblich niemals mitgeteilt. Jetzt beklagt er sich, daß er weder schlafen noch arbeiten könne und seine Töchter von den Handwerkern belästigt würden.«
    Er hob die Hände und lächelte ebenfalls. Ich sah, daß er dunkle Schatten unter den Augen hatte, aber ich sah auch, daß er die Aufregung und die Hetze genoß.
    »Ich glaube, ich werde einmal zu ihm hinübergehen«, sagte er.

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