Der Turm der Könige
Verpflichtungen der Stadt Sevilla‹?«, fragte Abel unsicher.
»Ja, das ist es!«, rief Bruder Dámaso.
»Sollen wir uns jetzt freuen?«, fragte Monsieur Verdoux ironisch. »Soweit ich sehe, ist dieses Dokument zerstört. Die folgenden Seiten sind verrottet und unleserlich. Wir können nichts damit anfangen.«
»Aber das ist nicht weiter schlimm«, erklärte der Mönch. »Und ja, natürlich sollten wir uns freuen! Das bedeutet, dass López de Haro Kopien des Kapitulationsvertrages angefertigt und sie den Exemplaren der
Siete Partidas
beigefügt hat, die in seiner Druckerei erschienen.«
»Natürlich!«, rief Abel. »Ab 1505 erschienen in seiner Druckerei geheftete, mit einem Druckstock hergestellte Bände. Damals war er bereits im Besitz der Kapitulationsverträge mit den Spielregeln. Er konnte einen Druck davon anfertigen …«
»… und ihn dem Kodex der
Siete Partidas
beifügen«, führte Bruder Dámaso den Satz begeistert zu Ende.
»Gut, gut, meine Herren«, beschwichtigte Monsieur Verdoux. »Versuchen wir die Ruhe zu bewahren. Ihr greift den Ereignissen voraus und ergeht Euch in Mutmaßungen. Zunächst einmal wissen wir nicht, ob diese unleserlichen Blätter« – er hielt das Buch zwischen Daumen und Zeigefinger hoch – »tatsächlich die Kapitulation Sevillas mit den Bedingungen der Wette enthalten. Und falls es so wäre, sind sie völlig zerstört. Wenn wir dem König mit diesem Dokument kommen, wirft er uns hochkant raus, und zwar völlig zu Recht.«
»Aber es wäre doch möglich, dass noch weitere Exemplare dieses Buches existieren, die in besserem Zustand sind. Es ist ein sehr hochwertiger Band. Vielleicht, wenn er an einem trockenen Ort aufbewahrt wurde, geschützt und ohne Einflüsse von außen …«, gab Abel zu bedenken.
»Vielleicht, vielleicht«, schimpfte Monsieur Verdoux sichtlich verärgert. »Vielleicht wäre es auch möglich, dass López de Haro nicht allen Exemplaren der
Siete Partidas
, die seine Druckerei verließen, diese letzten Seiten beigefügt hat. Denkt an die anfängliche Widmung. Dieses Buch war sein persönliches Geschenk an die Bibliothek. Selbst wenn er noch weitere Exemplare mit diesen zusätzlichen Seiten hergestellt hätte, wären diese Bücher fast dreihundert Jahre alt. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie noch existieren? Und wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir sie finden, falls sie existieren?«
Die drei Männer schwiegen betreten. Monsieur Verdoux hatte recht. Eine weitere Ausgabe der
Siete Partidas
zu finden, die zu Beginn des 16. Jahrhunderts in der Werkstatt de Haro gedruckt worden war, glich der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen.
»Außerdem«, fuhr der Franzose fort. »Ich weiß ja nicht, ob es Euch bewusst ist, aber wir sprechen hier von einer Kopie, die der Mann angefertigt hat, der sich damals im Besitz des Originals befand.«
»Ja, in der Tat«, bemerkte Bruder Dámaso. »Ich glaube, es wäre nicht schlecht, wenn wir dem König eine solche Kopie vorlegen könnten. Besser als nichts. Mit diesem Dokument und unserem Ehrenwort, dass es diese Wette wirklich gab, hielte ich es für …«
»Ihr versteht mich nicht. Was ich Euch zu erklären versuche, ist Folgendes: Wenn es sich hierbei um eine Kopie handelt, ist das Original weiterhin verschollen.« Abel und Bruder Dámaso sahen sich verständnislos an, bis Monsieur Verdoux nicht mehr länger an sich halten konnte und rief: »Der Schlussstein! Der Schlussstein, der am 10. Oktober 1506 im Gewölbe der Kathedrale angebracht wurde, hat uns hierher geführt. Ein Reliefstein mit der Darstellung einer Schachpartie in einer Schachpartie, auf dem klar und deutlich ein Spielzug festgehalten wurde: Kd2++. Zwei weiße Springer und der weiße König setzen den schwarzen König matt. Dein Vater hatte recht«, sagte er, zu Abel gewandt. »Dieser Spielzug ist die Spur.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«, fragte der Prior.
»Ich glaube, der Schlussstein enthält tatsächlich die Formel, die zum Original des Dokuments führt, das 1248 am Tag der Einnahme Sevillas in Tablada unterzeichnet wurde. Aber es ist nicht damit getan, eine imaginäre Linie vom Gewölbe der Kathedrale zum Fußboden zu ziehen. Das ist zu einfach … Darauf wäre sogar ein Kind gekommen«, sagte Monsieur Verdoux nachdenklich. »Ich bin mittlerweile davon überzeugt, dass Don Manuel López de Haro ein kluger Mann war. Er hat auch die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass wir auf die Idee kommen könnten, besagte Linie zu
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