Der Turm der Könige
ziehen. Deshalb hat er uns den Hinweis mit dem Pergament gegeben, damit wir uns auf die Suche nach der Kopie machen, die er gedruckt und der Kapitelbibliothek geschenkt hatte. Es ist einfach nur ein Fingerzeig für Dummköpfe … Verzeiht, wenn ich Euch beleidigen sollte.«
»Nein, nein, lieber Freund«, wehrte Bruder Dámaso ab. »Möglich, dass Sie recht haben, aber ich werde diesen Hinweis nicht außer Acht lassen. Ich glaube, wir sollten den Weg weiterverfolgen, den dieses Buch uns weist. Ich werde versuchen, herauszufinden, ob die Druckerei de Haro seinerzeit noch weitere Ausgaben der
Siete Partidas
herausgebracht hat und ob irgendwo noch welche davon existieren. Um die Wahrheit zu sagen, bleibt uns nicht viel anderes übrig.«
Während Abel und Bruder Dámaso mit dem Buch in der Hand die Bibliothek verließen, blieb Monsieur Verdoux zurück und starrte gedankenverloren auf den Boden.
***
SCHON LANGE VOR DER HOCHZEIT wusste Rosario, dass ihr Platz in der Druckerei war, und sie schätzte sich sehr glücklich deswegen. Bevor sie ihren späteren Mann kennenlernte, hatte sie immer geglaubt, ihre großen Wünsche, Träume und Leidenschaften seien schwer zu erreichen, weil sie eine Frau war. Alle erinnerten sie täglich daran, obwohl sie sich weigerte, es zu akzeptieren. Aber das Schicksal hatte es gut mit ihr gemeint und Abel de Montenegro zu ihr geführt.
Es machte ihr nichts aus, dass es in der Druckerei nur Männer mittleren Alters gab, die sie als Eindringling in ihre Welt der Buchstaben ansahen. Ihre Schwiegermutter jedenfalls stand voll und ganz hinter ihr. Sie freundete sich auch mit Candela an, die oft zu Besuch kam, seit sie ein richtiges Engagement als Künstlerin hatte und nicht mehr in der Tabakfabrik arbeiten musste. Das Mädchen war auf dem besten Weg, sich einen Namen auf der Bühne zu machen. Die feine Gesellschaft von Sevilla wurde auf sie aufmerksam, und es gab keine Abendgesellschaft, die nicht im örtlichen Theater Santa María de Gracia endete, um ihre Vorstellung zu sehen.
Candela und Rosario ließen nicht zu, dass Julia nach Mamita Lulas Tod in Schwermut versank. Sie überzeugten sie, die Wohltätigkeitsarbeit im Kloster Santa Isabel fortzusetzen. Gleichzeitig bezogen sie sie in die Planungen zur Gründung eines Journals für Frauen mit ein, dem Rosario den Namen
Die unbeugsame Rose
gab. Schwiegertochter und Schwiegermutter standen im Morgengrauen auf und frühstückten gemeinsam im Patio. Dann ging Doña Julia in die Druckerei, um die Rechnungsbücher durchzusehen, während Rosario die Beiträge Korrektur las, die in der nächsten Ausgabe der Zeitschrift erscheinen sollten. Wenn Candela kam, machten beide sich mit Feuereifer daran, die Seiten zu setzen. Keine von ihnen hatte sich zuvor eingehend mit der Setzerei befasst. Es war eine Arbeit, die Geduld und Konzentration erforderte.
»Benötigen die Damen Hilfe?«, fragte Cristo dann und wann mit einer spöttischen Verbeugung, während er Candela augenzwinkernd ansah. »Hier ist Ihr Mann für alle Fälle. Sie brauchen nur mit den Fingern zu schnipsen, und ich stehe Gewehr bei Fuß.«
Die beiden Frauen sprachen mit der Tochter eines Kunden der Druckerei, die gut zeichnen konnte, und gaben bei ihr die Illustrationen für das Titelblatt und die Beiträge über Mode, Dekoration und Kochen in Auftrag. Trotz der schlechten Prognosen erschien die Zeitschrift mit beachtlicher Regelmäßigkeit. Nach und nach wurde das Interesse der Sevillanerinnen an dem Blatt geweckt, wenn auch eher, um mitreden zu können, was die exzentrische Doña Julia da trieb, als um sich zu informieren. Am Ende war die weibliche Gesellschaft geteilter Meinung. So manche war begeistert von den Backrezepten, den Kurzgeschichten und dem Veranstaltungskalender. Diejenigen aber, die ihre eigene Meinung mit der Eheschließung auf den Müll geworfen hatten, übernahmen die Ansichten ihrer Männer und ereiferten sich darüber, dass sich eine Frau als Herausgeberin betätigte.
Noch schwieriger wurde es, als Candela vorschlug, eine Rubrik einzuführen, die schilderte, was Frauen im Laufe der Geschichte erreicht hatten. So erfuhren die Sevillanerinnen, dass sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts die Indianerinnen vom Stamm der Irokesen ihren Männern verweigert hatten, solange man ihnen nicht das Recht zusprach, mitentscheiden zu dürfen, ob ihr Stamm auf den Kriegspfad ging oder nicht. Und im Jahre 1776 war in der englischen Kolonie New Jersey durch einen Lapsus das Frauenwahlrecht
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