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Der Turm der Könige

Der Turm der Könige

Titel: Der Turm der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nerea Riesco
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Einzige, was ihr in letzter Zeit über ihre Verstimmungen hinweghalf.
    »Womit habe ich das verdient?«, fragte sie ihre Tochter, als langsam die Farbe in ihr Gesicht zurückkehrte. »Wir werden
das
Gesprächsthema sein. Aus dem Alter für solche Jugendtorheiten bist du heraus. Da haben dein Vater und ich uns so bemüht, einen Mann in guter Stellung für dich zu finden, und jetzt, da du eine angesehene Witwe bist, mit gutem Namen und Ruf, heiratest du so einen … einen … mein Gott! Keiner weiß, wer er ist und woher er kommt. Ohne anständige Herkunft, und außerdem sieht er aus wie … wie ein Wilder. Lach nicht, du dummes Ding«, herrschte sie das Hausmädchen an, das ihr den Tee brachte. »Was für eine Strafe! Diese Verrücktheiten hat das Mädchen von dir, ganz bestimmt«, warf sie ihrem Mann vor, bevor sie an ihrem Tee nippte. »In meiner Familie waren wir immer sehr ausgeglichen. Du wirst deinen Vater noch umbringen vor Gram!«, zeterte sie, während sie sich dramatisch mit dem Taschentuch eine nicht vorhandene Träne wegwischte.
    »Meinem Vater ist es völlig egal, wen ich heirate.«
    Und das stimmte. Don Juan Nepomuceno betrachtete das Gekeife seiner Frau mit Missfallen, aber die erneute Heirat seiner Tochter kümmerte ihn nicht im Geringsten. Mit den Jahren machte sich der Apotheker immer weniger aus Ritualen. Taufen, Kommunionfeiern, Fronleichnamsprozessionen oder Hochzeiten ließen ihn kalt. Seinen Ruf als Exzentriker hatte er sich vor allem mit dem Eigensinn erworben, mit dem er die Ansicht des Pythagoras vertrat, dass der Genuss von Fleisch Sünde sei.
    »Den Körper mit anderen Körpern zu nähren und das Leben zu wahren, indem man ein anderes Lebewesen tötet, ist eine Sünde … Und zwar eine schwere Sünde, wenn man mich fragt!«, erklärte er seinen Kollegen im Spital der Santa Caridad. »Schon in Genesis 1,29 heißt es, dass Gott dem Menschen und den Tieren allerlei grünes Kraut und fruchtbare Bäume gegeben habe, auf dass sie sich davon ernähren.«
    Er brachte die häusliche Ordnung durcheinander, wenn er die Dienstmägde mit nie zuvor gesehenen Insekten erschreckte, die er in Gläsern aufbewahrte, um sie zu studieren, und mit denen er sprach wie mit kleinen Kindern. Er konstruierte ein verworrenes Miniaturlabyrinth, in dessen Mitte er ein Stück Käse legte, das eine Maus in weniger als drei Minuten finden sollte. Das würde beweisen, dass der Mensch dümmer war als ein gewöhnlicher Nager. Unglücklicherweise entkam das Mäuschen aus seiner Kiste und verursachte hektisches Gerenne in den Korridoren und panisches Gekreische bei den Frauen, das erst endete, als der gnadenlose Besen des Gärtners dem allgemeinen Aufruhr ein Ende machte.
    Juan Nepomuceno tat es so leid, das arme Tierchen zerschmettert auf dem Fußboden liegen zu sehen, dass er beschloss, nicht mehr mit Lebewesen zu experimentieren, sondern seine ganze Aufmerksamkeit wieder den Pflanzen zuwendete. Er füllte den Patio mit unbekannten, namenlosen Pflanzen, die weder dufteten, noch blühten oder schmückten, von denen er aber behauptete, dass sie eine medizinische Wirkung hätten. Manchmal verschwand er für Stunden und vergrub sich in seinem Arbeitszimmer, und es gab keinen Grund, der ihm wichtig genug erschienen wäre, um eine Störung zu rechtfertigen. Dort suchte er in den Büchern des Paracelsus nach Rezepten, mischte Arzneien in Glasröhrchen, rührte, beobachtete und erwärmte sie über einer Flamme, bis sie in einer stinkenden Rauchwolke verpufften. Dann stürzte er hustend in den Korridor – eine diabolische Gestalt mit rußgeschwärztem Gesicht, struppigem Haar und wirrem Blick.
    Dank Mamita Lula und dem ungewöhnlichen Juan Nepomuceno war Julia eine langweilige Kindheit als einziges Kind erspart geblieben. Ihr Vater breitete vor der erst Fünfjährigen Karten von fernen Weltgegenden aus, um ihr von fremden Ländern zu erzählen, in denen Reptilien lebten, deren Zähne ein so furchtbares Gift enthielten, dass man wie vom Blitz getroffen umfiel, wenn man von ihnen gebissen wurde.
    »Nicht zu vergleichen mit den Wasserschlangen am Guadalquivir, die von ängstlicher Wesensart sind«, erklärte er dem Mädchen.
    Wenn sie sich tagsüber gut betragen hatte, kam ihr Vater zu ihr nach oben, um ihr die Geschichten zu erzählen, die er von den Seeleuten im Hafen gehört hatte. Geschichten über Frauen mit Fischschwänzen und so lieblichen Stimmen, dass sie die Männer in den Wahnsinn trieben. Sagen von fernen Inseln und

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