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Der Turm der Könige

Der Turm der Könige

Titel: Der Turm der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nerea Riesco
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interessant erschien, über einen weiteren Schreiber zu verfügen. Aber innerlich kochte er.
    »Wofür hält der sich?«, murrte er vor sich hin. »Ihm zu sagen, er solle herkommen, um mit mir zu sprechen – als ob er mein Chef wäre. Der Druckermeister hier bin ich! Dieser unverschämte Nichtsnutz …«
    Deshalb wartete er länger als nötig, als einer der Druckergesellen ihm mitteilte, dass im Vorraum ein Besucher warte, der wie ein eitler Stutzer aussehe. Er zählte bis zehn, um sich zu beruhigen, und als das nichts nutzte, zählte er weiter bis zwanzig. Als er bei hundertachtundneunzig angelangt war, trat er, immer noch mit erhöhtem Puls, ans Fenster und sah den Jungen im Patio stehen, wie er sich die Fingernägel am Rockaufschlag polierte, was endgültig die Wut zum Überkochen brachte, die in seinem Inneren brodelte. Er hasste solche Bürschlein, die wie feine Herren auftraten und sich für etwas Besseres hielten. Das gab ihm die Kraft, nach draußen zu gehen, um dem Kerl Wind von vorne zu geben.
    »Wer bist du?«, fragte er ihn herablassend, obwohl er von vornherein wusste, dass es sich um den von León empfohlenen Schreiber handelte.
    »Mein Name ist Fernando Álvarez.«
    »Was willst du? Mach schnell, ich habe nicht viel Zeit.«
    In diesem Moment kam Doña Julia aus der Küche in den Patio. Sie ging an den beiden Männern vorbei und grüßte mit einem leichten Kopfnicken. Der junge Fernando bemerkte die Veränderung in Cristóbals Gesicht, als er die Frau vorbeigehen sah. Für einige Sekunden wich seine finstere Miene einem sehnsüchtigen Ausdruck. Er liebkoste Julia mit den Augen, die Lider halb gesenkt, mit einem gequälten Blick, der gleichzeitig wachsam war und bohrend, um dann in eine andere Richtung zu sehen, wenn er sich ertappt fühlte. Dieser Blick war kein Zufall, aus ihm sprach kein Respekt und nicht einmal Neugier. Fernando erkannte in ihm die Qualen unerwiderter Liebe.
    »Ich bin gekommen, da ich Arbeit suche. Ich bin Schreiber«, sagte er dann und riss Cristóbal aus seinen Gedanken.
    »Tut mir leid«, antwortete der Druckermeister und nahm wieder die ungnädige Haltung vom Anfang an. »Wir haben mehr Schreiber, als wir brauchen können.«
    Er wandte sich ab und erklärte die Unterhaltung für beendet. Doch dann hörte er erneut die Stimme des jungen Fernando hinter sich.
    »Die Besitzerin dieser Druckerei … die Witwe de Haro …«
    Der Satz blieb in der Luft hängen. Cristóbal drehte sich brüsk um, als der Besucher sie erwähnte.
    »Ihr Taufname ist Julia?«, fragte dieser betont unschuldig.
    »Wie können Sie es wagen, sie auch nur beim Namen zu nennen?«, murmelte der Druckermeister.
    »Oh, bitte! Meine Wenigkeit hat sich nichts herausgenommen.« Fernando Álvarez lächelte triumphierend. »Ein anderer ist es, der sich etwas herausnimmt.«
    Cristóbal Zapata spürte, dass sich in diesem Moment die Rollen verkehrten. Jetzt war er der kleine Junge. Er sah, wie Fernando Álvarez seine Arglosigkeit ablegte, um die Situation an sich zu reißen.
    »León hat mir aufgetragen, einen Brief an eine gewisse Julia zu verfassen«, sagte der Schreiber. »Vielleicht interessiert es Sie, seinen Inhalt zu erfahren.«
    Und er erzählte ihm haarklein von dem Auftrag. Er schilderte ihm den Heiratsantrag eines Mannes, der vom Meer kam, und unter seinen eindringlichen Worten erstand in Cristóbals Vorstellung das Bild von heimlichen Küssen, nächtlichen Liebkosungen, innigen Umarmungen, Schaudern der Lust, glückseligen Seufzern … Liebestechniken, wie sie nur die Ungläubigen kannten und die dieser bekehrte Pirat mit Sicherheit perfekt beherrschte. Der Schreiber schilderte dies alles, wie es nur begnadete Erzähler können, legte sich an den richtigen Stellen ins Zeug und machte eine Kunstpause, wenn sein Zuhörer den glühenden Schmerz der Eifersucht nicht länger ertragen konnte, der sich unbegreiflicherweise mit dem Taumel der Erregung mischte.
    »Dieser Schuft«, war das Einzige, was Cristóbal herausbrachte, als Fernando Álvarez mit seiner Schilderung geendet hatte.
    »Sehen Sie? Ich bin nicht Ihr Feind«, schloss Fernando Álvarez in gütigem Ton. »León ist Ihr Feind. Ein Feind unseres Glaubens. Und ein Feind meiner Freunde … einflussreicher Freunde. Wenn Sie mich für die Druckerei arbeiten lassen, kann ich ihn überwachen. Sie helfen mir und ich helfe Ihnen.« Er blickte sich um, dann beugte er sich zu dem Druckermeister und flüsterte ihm ins Ohr: »León ist ein hochgefährlicher

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