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Der Turm der Könige

Der Turm der Könige

Titel: Der Turm der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nerea Riesco
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nah. Er drehte sich um und tatsächlich: Mitten auf der Straße stand die schwarze Gestalt und starrte ihn hasserfüllt durch die beiden schwarzen, unergründlichen Löcher seiner Kapuze an. Ein Blitz erhellte seine nass glänzende, vom Regen durchtränkte schwarze Kutte. Und Abel rannte los. Zuerst wollte er zurück zur Druckerei laufen, doch dann dachte er an den Tod seines Vaters und dass der schwarzgekleidete Büßer möglicherweise der Mörder war. Zudem war er ziemlich weit weg von zu Hause. Er stolperte, fiel hin, stand wieder auf und lief weiter an der Mauer entlang, bis er zu einem weiteren Eingang kam.
    »Helft mir!«, schrie er, während er ungestüm den Türklopfer betätigte und die Nähe des schwarzen Schattens spürte. »Ich brauche Hilfe!«
    Er hörte Holz knarren. Das Quietschen der Türangeln erschien Abel wie Himmelsmusik. Ein Streifen warmen Lichts aus dem Inneren fiel auf sein Gesicht.
    »Ah, du bist es. Ich hätte es mir denken können. Immer zur unpassendsten Zeit«, begrüßte ihn Bruder Lorenzo sichtlich verärgert. »Was willst du? Das ist keine Art, um diese Uhrzeit …«
    Doch Abel wartete gar nicht, bis er den Satz zu Ende gesprochen hatte, sondern stieß die Tür auf und drängte sich hinein, dass der Mönch rückwärts taumelte. Er schlug die Tür hinter sich zu und lehnte sich keuchend dagegen.
    »So eine Unverschämtheit!«, schimpfte der Alte und strich seine Kutte glatt. »Du hättest mich beinahe umgeworfen.«
    »Entschuldigen Sie, Bruder, aber es geht um Leben und Tod. Ich muss zu Pater Dámaso«, flüsterte er mit erstickter Stimme und hielt ihm das Kalenderblatt entgegen.
    »Genauso unhöflich wie dein verstorbener Vater, Gott hab ihn selig!« Bruder Lorenzo bekreuzigte sich. »Die Jugend wird immer schlimmer.«
    »Ich bin hier, damit man mir erklärt, was diese Figur hier« – er zeigte ihm den Elefanten – »damit zu tun hat, dass mich ein als Büßer verkleideter Verrückter verfolgt.«
    Ohne ein Wort drehte der Pförtner sich um und ging mit einer Öllampe in der Hand den Korridor hinunter. Abel folgte ihm, wobei er versuchte, innerhalb des Lichtkreises zu bleiben.
    »Können Sie mir etwas über diesen Elefanten erzählen?«, fragte er, um das unbehagliche Schweigen zu brechen.
    »Dass er aus Elfenbein ist«, antwortete Bruder Lorenzo gallig, während er die Tür zur Küche öffnete und ihn eintreten hieß. Er schob ihm einen Stuhl hin, reichte ihm eine Decke und machte ihm ein Glas heiße Milch. »Warte hier, ich bin gleich zurück.«
    Bevor er hinausging, drehte er sich noch einmal um und sah ihn misstrauisch an.
    »Und fass nichts an! Ich werde es sowieso merken!«
    »Nein, nein …«
    Abel glaubte sich vage an diesen Raum zu erinnern, den Geruch des Herdfeuers, das Aroma von Süßwein, Zimt und Eigelb. Zum ersten Mal in dieser Nacht fühlte er sich sicher. Es gab keinen Zweifel: Er war schon einmal hier gewesen.
    ***
    DRAUSSEN, VOR DEN TOREN der Komturei, blieb Cristo noch eine ganze Weile mitten auf der Straße im Regen stehen. Er bebte vor Zorn. Sein Herz raste, und seine Wangen glühten. Er war Abel gefolgt, nachdem er gesehen hatte, wie dieser den Baum vor dem Fenster seiner Schwester heruntergeklettert war. Er bereute, dass er ihn nicht im Schutz der Nacht, verborgen unter seiner Büßerkutte, grün und blau geschlagen hatte. Voller Bitterkeit dachte er an Julita, die Einzige der Zapatas, die der Aufmerksamkeit der hochmütigen Montenegros wert zu sein schien.
    ***
    GERADE ALS ABEL DAS GLAS MILCH ausgetrunken und sich fest in die Decke gehüllt hatte, die ihm Bruder Lorenzo gegeben hatte, erschien dieser in Begleitung des Priors, Bruder Dámaso.
    »Jedes Mal, wenn ich dich sehe, Junge, bist du klatschnass. Du ziehst den Regen an.«
    Er begrüßte ihn mit einem strahlenden Lächeln, bevor er ihn herzlich in die Arme schloss. Zuerst war Abel zurückhaltend, doch allmählich verlor er seine Scheu. Nun, da Bruder Dámaso vor ihm stand, hätte er geschworen, dass die Zeit spurlos an diesem vorübergegangen war. Er wirkte immer noch jung, war von schlanker Gestalt und besaß einen heiteren Gesichtsausdruck, der ansteckend war. Lediglich einige feine Linien rund um die Augen und ein paar vorwitzige graue Strähnen an den Schläfen verrieten sein wahres Alter.
    »Wie ich sehe, hast du meine Nachricht ohne Probleme erhalten.« Er deutete auf das Kalenderblatt, das Abel nach wie vor in der Hand hielt.
    »›Ohne Probleme‹ würde ich das nicht gerade nennen. Aber jetzt

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