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Der Turm der Seelen

Der Turm der Seelen

Titel: Der Turm der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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folgte unmittelbar auf seinen sogenannten Exorzismus, so war es doch, oder?»
    Merrily konnte nur nicken. Sie wusste, wohin das führen würde.
    Howe blätterte wieder in ihren Unterlagen. «Ich suche nach dem Kommentar, den der Bischof damals abgegeben hat.»
    «Das kann ich Ihnen mehr oder weniger wörtlich wiedergeben.»
    «Da hab ich’s   … ‹Exorzismus ist eine geistliche Aufgabe, die in christlichen Kirchen zunehmend ausgeführt wird. Es gibt dazu kein festgelegtes Verfahren; ein Exorzismus wird so ausgeführt, wie es die jeweilige Situation erfordert. Es ist deshalb ein geistliches Amt, das mit höchster Umsicht und Verantwortung ausgeübt werden muss.›»
    «Aber das war kein   …»
    «Mrs.   Watkins, auf dem Film ist eindeutig zu sehen, dass das Abendmahls-Sakrament auf Ihrem improvisierten Altar vorbereitet war, zudem haben Sie Wasser verspritzt, das Sie, wie ich vermute, für geheiligtes Wasser, für Weihwasser halten.»
    «Das Abendmahl wurde nicht abgehalten, es war   …»
    Doch Annie Howe hörte ihr nicht zu. Sie blätterte wieder in den Unterlagen.
    «Hier   … der Fall Taylor wurde auch von Donald Coggan, dem Erzbischof von Canterbury, kommentiert. Ich zitiere: ‹Wir müssen diese Sache von all dem Hokuspokus und der Pseudo-Magie befreien. Ich sehe den Exorzismus nicht im Widerspruch zur Medizin. Ganz im Gegenteil. Ich glaube, dass zu voreilige Exorzisten viele ihrer Fälle vorher einmal zum Psychiater hätten schicken sollen.›» Howe sah auf. «Es lag nicht zuletzt an dem Fall Taylor, dass die Kirche den Sinn von Exorzismen neu überprüfen ließ und auch, wie solche Katastrophen künftig verhindert werden könnten. Herausgekommen ist die Leitlinie, dass Exorzisten jetzt immer mit Psychiatern aus dem staatlichen Gesundheitswesen zusammenarbeiten sollen. Ist das richtig, Mrs.   Watkins?»
    «Bevor ein Exorzismus an einem Menschen durchgeführt wird, soll ein Besuch bei einem Psychiater empfohlen werden, um sicherzugehen, dass es sich nicht um Schizophrenie oder eine ähnliche Erkrankung handelt. Ja.»
    «Und wenn ein Exorzismus durchgeführt wird, lautet die Richtlinie, dass ein qualifizierter Psychiater anwesend sein sollte. Ist das ebenfalls richtig, Mrs.   Watkins?»
    Merrily seufzte. «Ja.»
    Howe steckte die Papiere mit einer Heftklammer zusammen und legte sie wieder in den Aktendeckel. Dann lächelte sie Merrily freundlich an.
    «Und Ihre Vorstellung davon, mit Psychiatern aus dem staatlichen Gesundheitswesen zusammenzuarbeiten, wenn Sie auf die Bitte eines bekanntermaßen labilen, möglicherweise alkoholabhängigen Mannes hin ein Ritual durchführen, das einen schon an ‹Hokuspokus› denken lassen kann, besteht also darin   …»
    «Das ist nicht   …»
    «…   besteht also darin, sich als beratenden medizinischen Experten einen ehemaligen Psychiatriepatienten mit einer Vorstrafe auszusuchen?»
     
    «Bleib mir vom Leib, verdammt!», schrie Stock. «Komm mir bloß nicht zu nahe!»
    Er kam wieder ins Filmbild. Sein Hemd war aus der Hose gerutscht. Er hatte riesige Schweißflecken unter den Armen.
    Alles wirkt unheimlich hell, dachte Lol. Das war ein häufiger Effekt bei Videoaufnahmen. Die Bilder waren oft kontrastreich, selbst wenn die Aufnahmebedingungen nicht besonders waren. Bliss hatte gesagt, dass sie von den beiden Originalen VH S-Kopien angefertigt hatten. Im Moment sahen sie sich eine Weitwinkelaufnahme an, die offenkundig von einer Kamera oberhalb des Kühlschranksaufgenommen worden war. Das Bild zeigte den Tisch und ein Stück des Fliesenbodens rund um den Tisch.
    Auf dem Tisch waren Stewart Ashs Buch über Hopfenanbau und ein Weinfleck zu sehen.
    Frannie Bliss hielt das Bild an.
    «Ich glaube, Chef, das hier entkräftet die Theorie, dass die ganze Sache geplant war wie bei einer Theateraufführung   … dass er sogar wusste, wie es enden würde. Ganz gleich, was sie jetzt tut, man sieht, dass er es nicht erwartet hat.»
    «Nicht unbedingt», sagte DCI Howe. «Wir sehen Stephanie ja an dieser Stelle nicht mal. Wir wissen nicht, ob sie überhaupt irgendetwas macht. Sie könnte ebenso gut gar nicht da sein. Das könnte ein Teil von Stocks Inszenierung sein.»
    «Dann wäre er aber wirklich ein Wahnsinnsschauspieler.» Bliss ließ den Film weiterlaufen.
    Stock zitterte. Er stand einfach nur da und zitterte, das Gesicht beinahe voll der Kamera zugewandt. In seinem Bart schimmerten Schweiß und Speichel.
    Das Kühlschrankgeräusch kam aus den Fernsehlautsprechern.

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