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Der Turm der Seelen

Der Turm der Seelen

Titel: Der Turm der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Hast du mal ein paar Minuten?»
    Kirsty Ryan wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Nase und einer dichten Reihe Piercing-Ringe, die in der Schule verboten waren. Sie wirkte sehr maskulin und sehr schlecht gelaunt. Abgesehen davon wirkte sie so, als wüsste sie genau, worum es gleich gehen würde.
    «Verpiss dich, Watkins», sagte Kirsty. «Wir haben nichts zu besprechen.»
    «Überraschungsmoment», murmelte Eirion. «Jaja, das wirkt immer am besten.»

31   Gelegentlich ein kleiner Klaps
    David Shelbone sah nicht gut aus. Sein Gesicht wirkte auf der einen Seite irgendwie steif, als hätte er einen Schlaganfall gehabt.
    «Nein, es geht schon. Es geht mir gut», hatte er mehrmals zu Sophie gesagt, als sie ihm noch eine Tasse Tee und eine Aspirintablette anbot. «Ich leide schon immer unter schwerer Migräne, das heute ist gar nichts.»
    Merrily wollte ihn nicht anstarren, aber sie fragte sich, ob er möglicherweise auf einem Auge blind war. Er war überhaupt nicht so, wie sie ihn sich vorgestellt hatte. Nach Charlie Howes Erzählungen hatte sie einen unnachgiebigen Eiferer erwartet, der in der einen Hand das Banner Christi und in der anderen das Denkmalschutzgesetz schwenkte. Doch David Shelbone wirkte zurückhaltend, beinahe verträumt, wie ein alternder Poet, der es müde war zu dichten.
    Sophie musste irgendetwas aus seinem Verhalten herausgelesen haben, denn sie ging mit der Ankündigung, dass sie ein paar Unterlagen aus dem Bischofspalast holen müsse. Merrily führte Mr.   Shelbone in das kleine Exorzisten-Büro. Vor ein paar Wochen hatte sie den Schreibtisch umgestellt, sodass sie jetzt mit dem Rücken zum Fenster und dem Hof des Bischofspalastes und mit dem Gesicht zur Tür saß. Diese Anordnung hatte ihr Jane empfohlen, die sich für
Feng-Shui
interessierte, und Merrily musste zugeben, dass sie sich damit besser fühlte. Besser orientiert, mehr Herrin der Lage. Selbst an diesem Vormittag.
    «Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen.» David Shelbone hatte keinen regionalen Dialekt wie seine Frau, sondern einen vage nordenglischen Beiklang in der Stimme. Und diese Stimme war ausdruckslos und dünn. «Nachdem Amy aus dem Krankenhaus zurück war, haben wir uns mit ihr unterhalten. Sie hat uns erzählt, dass Ihre Tochter nicht zu den Veranstaltern dieses spiritistischenZirkels gehörte und dass sie eigentlich nur ein einziges Mal dabei war und selbst da mehr oder weniger gezwungen wurde.»
    Merrily nickte. «So habe ich es auch verstanden.»
    «Amy hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie diese Dinge über Ihre Tochter erzählt hat. Sie fühlte sich unter Druck – nicht so sehr durch Sie, sondern   … Auf jeden Fall wollte ich mich entschuldigen. Ich fürchte, wir haben überreagiert.»
    «Das ist sehr verständlich.»
    «Wir hatten vor, uns auch noch schriftlich bei Ihnen zu entschuldigen.»
    «Das ist nicht nötig. Wie geht es Amy? Es muss sehr   …»
    «Es hätte viel schlimmer ausgehen können. Wir dachten, sie müssen ihr den Magen auspumpen, aber glücklicherweise ist ihr in dem Krankenwagen schlecht geworden, und sie musste sich die ganze Zeit übergeben. Wie auch immer. Gestern Abend habe ich Kanonikus Beckett angerufen, und er hat mir zu einem Gespräch mit Ihnen geraten, auch wenn er nicht sicher war, ob Ihr Urlaub schon angefangen hatte. Für den Fall, dass ich Sie verpasst hätte, hat er mir geraten, zur Polizei zu gehen. Aber wir würden die Behörden lieber aus dieser Sache heraushalten. Sie ist unser einziges Kind, das einzige Kind, das wir je haben werden.»
    Polizei?
«Hm   … Sophie sagte, Ihre Frau sei mit Amy weggefahren, weil sie befürchtete, die Sozialfürsorge könnte   … ich meine, könnten sie das wirklich machen? Können sie Amy wirklich von Ihnen wegholen, wo sie doch in aller Form adoptiert ist?»
    «Ich fürchte, das alles ist sehr kompliziert, Mrs.   Watkins, aber, grob gesagt, ja, sie können jedes Kind wegholen, wenn sie der Auffassung sind, dass es in Gefahr ist.»
    Merrily dachte an all die Frauen, die geschlagen und all die Kinder, die in zerrütteten Familien missbraucht wurden. Sie verstand nicht, was er ihr damit andeuten wollte.
    Mr.   Shelbone hüstelte nervös. «Und dann ist da noch   … Das klingt bestimmt lächerlich.» Er hatte bei der Rasur ein paar Barthaare an seinem Hals vergessen, und auf dem Kragen seines verwaschenen grauen Hemdes war ein Fettfleck.
    «Das sagen die meisten Leute, wenn sie hierherkommen», erklärte ihm

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