Der Turm der Seelen
sie männliche Pfarrer sonderlich mögen würde, aber ich schätze, sie findet ernsthaft, dass Frauen
über
diesem abergläubischen Quatsch stehen sollten. Frauen, die Pfarrerinnen werden, begehen irgendwie Verrat. Jedenfalls denke ich, dass sie das so sieht. Frauen wie Merrily sind Verräterinnen an der Sache der Emanzipation.»
«Den kannte ich noch gar nicht», sagte Lol trocken.
«Ja, und von mir haben sie den auch nie gehört, klar? Also sagen Sie schon. Warum hat Gerard Stock seine Frau umgebracht und ihr den Kopf abgehackt?»
«Das weiß ich nicht.»
«Ich weiß doch, dass Sie es nicht
wissen
, Lol, verdammt. Aber was
denken
Sie? Was denkt Merrily?»
«Jedenfalls nichts, was man in einen Polizeibericht schreiben könnte.»
«Verflucht noch eins!» Bliss funkelte den Mond an.
« Ich
entscheide, was in einen Polizeibericht passt – und es müsste noch nicht mal ein Bericht im Wortsinn sein. Könnte genauso gut eine Andeutung sein, die man bei der richtigen Person in der Dienststellenleitung fallen lässt. Ich versuche hier nur zu helfen, Kumpel.Ich bin nämlich katholisch aufgewachsen, damals in Liverpool.»
«Ja, darüber haben wir schon einmal gesprochen.»
«Hat ganz schön lang gedauert, bis ich mich gefragt habe, ob das Zeug in dem Abendmahlskelch sich womöglich
nicht
in das richtige Blut Christi verwandelt haben könnte. Grübel ich in schlaflosen Nächten immer noch manchmal drüber nach. Ich will damit bloß sagen … Ich werd bestimmt nicht lachen, okay?»
«Also … Stock hat den Eindruck erweckt, dass in seinem Haus der Geist Stewart Ashs umgeht. Aber wenn man schon glauben will, dass es in dem Haus wirklich einen Geist gibt, dann ist Ash, dessen Mörder gefasst wurden, vielleicht nicht der richtige Kandidat. Vielleicht hat man es eher mit etwas anderem zu tun, was dort vor langer Zeit passiert ist, aber niemals aufgeklärt wurde.»
Bliss runzelte die Stirn. «Da ist
noch was anderes
passiert? Sollte ich davon wissen?»
«Und vielleicht ist davon etwas übrig geblieben, etwas, das Stephanie stärker beeinflusst hat als Stock, weil sie eine Frau war. Etwas, das ihren Charakter verändert hat.»
«Sie wollen andeuten, dass Mrs. Stock besessen war, stimmt’s?»
«Ich weiß nicht, ob es das richtige Wort dafür ist.»
«Erzählen Sie weiter.»
Also erzählte Lol DI Bliss von der Hopfenfrau. Von Rebekah und Conrad Lake. Hier draußen unter dem Vollmond hörte es sich wenigstens nicht vollkommen irre an. Während er sprach, fuhr ein Mercedes vor, und ein untersetzter Mann mit einem Pilotenkoffer stieg aus und ging, ohne sie eines einzigen Blickes zu würdigen, durch das Tor auf Henrys Grundstück.
«Verschwendet keine Zeit, was?», sagte Bliss dazu. «Also. Sie sagen also, es wäre denkbar, dass der berüchtigte Säufer GerardStock allen Grund hatte zu glauben, seine Frau wäre von dem Geist einer Frau … sagen wir mal infiziert worden, deren Mörder unerkannt blieb.»
«Nicht nur der Mörder blieb unerkannt, der Mord selbst wurde nicht entdeckt», sagte Lol.
«Das ist nicht uninteressant, Laurence. Sagen Sie, wenn ich mich durchs Archiv der Hereforder Polizei arbeiten würde, glauben Sie, da könnte ich einen Hinweis auf diese vermisste Zigeunerin finden? Nicht dass ich Ihre Darstellung anzweifle, aber es könnte helfen, wenn es zu diesem Vermisstenfall etwas Offizielles gäbe.»
«Ich wünschte, das würden Sie tun.»
«Das werde ich auch, juckt mich kein bisschen. So, das war doch gar nicht so schwer, oder?» Bliss klopfte Lol auf die Schulter. «Sehen Sie, von Merrilys Warte aus gesehen müsste bewiesen werden, dass Stock nicht einfach nur ein gefährlicher Fall von geistiger Verwirrung war, bei dem ein Funke genügte, um die Katastrophe auszulösen – zum Beispiel durch einen unzulänglich durchgeführten und überflüssigen Exorzismus et cetera –, sondern in Wahrheit ein intelligenter Mann, den die Umstände dazu gezwungen haben, sich mit Vorstellungen herumzuschlagen, mit denen er sich normalerweise nicht mal für Geld abgegeben hätte.»
Lol bemerkte, dass Merrily auf der anderen Seite des Tores stand. Sie unterhielt sich mit einem der Polizisten. Ihre Tasche hing über ihrer Schulter und ihre Jacke über ihrem Arm.
«Hm … da ist noch etwas.»
«So schnell es geht, Lol.»
«Es scheint so, als hätte Stewart Ash an einem Buch gearbeitet, in dem er andeuten wollte, dass Conrad Lake der Mörder von Rebekah Smith ist. Außerdem hatte er Bilder –
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