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Der Turm der Seelen

Der Turm der Seelen

Titel: Der Turm der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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die Hand auf die Brust zu legen, und schon hatte sie ihn als Asthmatiker erkannt, etwas, von dem nicht einmal Jane, seine Freundin, seine
Intim
freundin wusste. Woher hatte sie diese Fähigkeiten? Jane erinnerte sich daran, einmal gelesen zu haben, dass sich die Zigeunerinnen gegenseitig nicht die Zukunft vorhersagten, weil sie das ohnehin
alle
konnten – es war keine große Sache für sie.
    Keine große Sache
. Wow. Wenn man heutzutage nicht zu irgendeiner ethnischen Minderheit gehörte, war man echt eine Nullnummer.
    «Die Trittstufen sind ziemlich steil», rief Layla. «Also geht hintereinander. Hier war früher mal eine richtige Treppe, als das noch eine Kirche war, aber das Holz ist längst verrottet.»
    «Ich gehe zuerst und warte unten auf dich», sagte Eirion.
    Jane konnte kaum die Hand vor Augen sehen. Die Trittstufen waren ebenfalls aus Holz, sie sahen aus wie eine Leiter mit sehr großen Abständen zwischen den Sprossen. Der Boden unten bestand aus Steinfliesen.
    Sie sah, wie sich Laylas dunkler Umriss selbstsicher dort entlangbewegte, wo früher vielleicht der Mittelgang der Kirche gewesen war.
    «Du hast gesagt, deinem Dad   … Allan   … gehört dieses Gebäude?»
    «Ja. In ein paar Monaten macht er es platt. Dadurch können wir vorher ein bisschen unseren eigenen Nutzen daraus ziehen. Wir haben unbedingt eine Kirche gebraucht. Wir brauchten sie, um auf der gleichen Energie-Ebene zu sein, verstehst du?»
    «Nicht so richtig.»
    «Wo hätten wir denn sonst hingehen sollen? Etwa in Steves Schuppen?»
    «Ich verstehe nicht, was du meinst, Layla.»
    Layla kauerte an der Wand. Hoch über ihr war der Belüftungsschlitz, die einzige Lichtquelle. Es war ein kaltes Licht, das dort hereinfiel, und Laylas Silhouette war blaugrau.
    «Adoptierte Kinder machen eine Identitätskrise durch, Jane, ganz besonders, wenn die Adoptiveltern so sind wie die von Amy. Komische alte Wichser. Aber du hast sie ja selbst gesehen.»
    «Hmm   … ja.»
    Ein Streichholz wurde angerissen, gelblich weißes Licht flammte auf, wie das Licht in Steves Schuppen: Layla hatte eine dicke Kerze angezündet.
    «Ich helfe ihr, sich selbst zu finden, Jane. Das lohnt sich für uns beide.»
    Noch ein Streichholz, noch eine dicke Kerze. Zwei dicke Kerzen – auf einem Altar.
    «Stell dir doch mal vor, wie sie gelebt hat. Ein kleiner Engel in einem Haus voll religiöser Bilder, zwei Kirchenbesuche jeden Sonntag. Ist das
normal

    Jane dachte an ihre Mutter: nein, nicht normal.
    Sie konnte jetzt den Altar erkennen. Es war offensichtlich nicht der originale Altar. Zwei Backsteinstapel trugen eine große, dicke Holzplanke, die schimmernd lackiert war. Zwischen den Kerzen stand ein Kelch auf dem Altar, ein richtiger Abendmahlskelch, vielleicht sogar aus echtem Silber. Layla war stinkreich, die konnte sich so etwas beschaffen, kein Problem.
    «Und das war gar nicht Amy», sagte Layla. «Nicht die
richtige
Amy, meine ich, deren Eltern gesoffen und sich Drogen gespritzt haben. Bei dieser ganzen Sache geht es darum, die richtige Amy zum Vorschein zu bringen. Das will ihre Mutter – ich meine, ihre
richtige
Mutter.»
    Als sich Layla aufrichtete, schrie Jane auf und klammerte sich an Eirion. Hinter dem Altar stand eine grauweiße Gestalt.

41   Wieder mal geht eine Runde an den Teufel
    Lol war zwei Mal den Zufahrtsweg hinauf- und wieder hinuntergegangen. Beim ersten Mal hatten er und der nervöse Gärtner, der am Fenster seines Bungalows saß, sich kurz zugewinkt, beim zweiten Mal fuhr ein Polizeiauto vor. Keine Sirene, kein großes Tamtam.
    Er wartete in der Nähe des Tors auf die Beamten und fühlte sich dabei leicht unbehaglich. Aber weglaufen hätte auch nicht gut gewirkt.
    Beide Polizisten stiegen aus. «Mr.   Henry? Mr.   Allan Henry?»
    Lol stand blinzelnd im Licht der Autoscheinwerfer und registrierte, dass hinter dem Einsatzwagen ein weiteres Auto vor dem Tor anhielt. Vermutlich Henrys Anwalt.
    «Ähm, nein», sagte Lol. «Mr.   Henry ist dahinten. In einem Zigeunerwagen.»
    Sie tauschten einen Blick aus, dann kamen sie langsam auf ihn zu. Er lehnte sich mit herabhängenden Armen an das Tor. Unbedrohlich, nicht dazugehörend. Wo war der Gärtner? Der sollte sich um die Polizisten kümmern.
    «Und wer sind Sie, Sir?»
    «Ich? Ich bin nur   …»
    «Mr.   Laurence Robinson, so wahr ich hier stehe!»
    Also
nicht
der Anwalt. Sondern eine in jüngerer Zeit sehr vertraute Gestalt mit rotem Haar, in deren Miene jetzt freudiges Erkennen

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