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Der Turm der Seelen

Der Turm der Seelen

Titel: Der Turm der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Williams, dem Märtyrer und berühmtesten Vikar von Ledwardine.
    Merrily kam sich ein bisschen lächerlich vor, als sie die Münze in eine Tasche ihres Jeansrocks gleiten ließ.

7   Das Licht wegnehmen
    Am frühen Abend lag ein unheilvolles, ockerfarbenes Licht über dem Tal des Frome, bevor der Sturm wie ein Rammkommando von den westlichen Flanken der Malverns aus herunterbrach.
    Obwohl es kaum donnerte, erloschen um 19   :   02   Uhr sämtliche Lichter auf dem Mischpult, sodass nur noch Prof Levin glühte – allerdings vor Wut.
    «Und letztens kommt so ein Bauer in der Post von Bischof ’s Frome auf mich zu und sagt: ‹Sie sollten sich lieber so einen kleinen Benzingenerator anschaffen, Mr.   Levin, wissen Sie.› Diese
Dorftrottel!
Wie stellen die sich das vor? Soll ich vielleicht meine Aufnahmen machen, während vor dem Fenster so ein verdammter Generator dröhnt?»
    «Aber denk doch mal an die interessanten Effekte, die das bringen würde», sagte Lol unschuldig. «Das flackernde Licht   … die arrhythmisch stehen bleibende Tonspur, das elementare Scratching.»
    «Hör bloß auf. Du bist nur so frech, weil du ein neues Spielzeug hast.»
    «Es ist dein Spielzeug. Ich passe nur darauf auf.» Lol hatte versucht, die unterschiedlichen Baumarten zu identifizieren, aus denen die Boswell-Gitarre bestand. Hier im Studio entwickelte das Instrument einen unglaublich vollen und kräftigen Klang.
    «Er bekommt sie zurück», sagte Prof. «Ich weiß zwar noch nicht, wann, aber er bekommt sie zurück. Sie haben mich übers Ohr gehauen. Ich habe zu Sally gesagt: ‹Unterstütz doch den Jungen ein bisschen. Er braucht ein paar Ideen.› Mehr habe ich nicht gesagt. Und was machen sie? Drehen dir diese lächerliche, überteuerte   …» Er zog den Master-Regler ganz zurück, sodass sich nicht alles zugleich wieder anschalten würde, wenn der Strom irgendwann zurückkam.
    «Na ja   … jetzt weißt du wenigstens, wo du bist, zumindest in geographischer Hinsicht.»
    «Also», sagte Lol, «ich weiß immerhin, warum Knight’s Frome so zerstückelt ist.»
    Prof schniefte. «Der Große Lake», sagte er.
    «Conrad Lake?»
    «Ein moralisches Lehrstück.» Prof ging zurück zu seinem Drehstuhl hinter dem Mischpult. «Der Niedergang des Kaisers von Frome – so haben sie Conrad genannt. Zuerst nur hinter seinem Rücken, aber irgendwann scheint ihm dieser Titel selbst gefallen zu haben. Hat sie dir erzählt, wie sich die Götter gegen ihn gewandt haben? Von seinem Problem mit der Welke?»
    «Es scheint aber nicht die Welke im Wortsinn gewesen zu sein. Offenbar hat die Verticillium-Welke in dieser Region nur   …»
    «Verticillium!
Das
war es!»
    «…   in den siebziger Jahren grassiert. Zuerst ist sie in Kent aufgetaucht, und dann hat es sehr lange gedauert, Jahrzehnte, bis sie Hereforshire erreicht hat. Aber davor gab es andere Schädlinge und Krankheiten: Spinnmilben, Blattläuse, Mehltau. Er wurde mit allem geschlagen, wie mit den sieben ägyptischen Plagen.»
    Sie sprachen beide in epischen Begriffen, fiel Lol auf, denn das Geschehen trug tatsächlich die Züge eines Epos: das reiche Erbe von vier Generationen erfolgreicher Hopfenmeister – ausgelöscht innerhalb von sieben Jahren. Conrad Lake war sogar der letzte – und eine Zeitlang auch der bedeutendste und vermögendste – Hopfenmeister Herefordshires gewesen. Seine geteerten Hopfengerüste hatten Knight’s Frome umgeben wie eine große Sperranlage. Es hatte ausgesehen wie Bergen-Belsen, hatte Sally Boswell gesagt, oder wie Auschwitz. Der Besitz war schon groß genug, als er ihn erbte, und doppelt so groß, als ihn das Unglück zum ersten Mal traf.
    Lol rief sich das Porträtfoto Conrad Lakes aus dem dritten und kleinsten Raum des Hopfenmuseums ins Gedächtnis, mit dem Lächeln, das hinter einem breiten Schnurrbart beinahe vollständig verschwand. Er war ein schwieriger, gieriger und zwanghafter Mann, hatte Sally gesagt, den die Einheimischen hinter seinem Rücken den Kaiser von Frome nannten. Er war zwei Mal verheiratet und von beiden Frauen verlassen worden – die zweite hatte seinen Sohn mitgenommen, der damals noch ein Kleinkind gewesen war. Sie hatte sich nie scheiden lassen. Der Junge, Adam, wuchs bei seiner Mutter und seinen Großeltern in Warwickshire auf und sah seinen Vater niemals wieder. Conrad Lake blieb in Knight’s Frome und kämpfte die gesamten siebziger Jahre gegen Blattläuse, Spinnmilben und Mehltau. Und gegen die Banken, die ihn immer

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