Der Turm der Seelen
mit verschränkten Armen das Demotape angehört, bei den Cellopassagen die Stirn gerunzelt und dann bemerkt: «Du kannst dich nicht dazu durchringen, dich irgendwo häuslich niederzulassen, was, Lol? Du bist der Typ, der ein richtiges Zuhause braucht, aber du weißt nicht, wo du eine sichere Bleibe finden kannst, oder?»
«Was erzählst du denn da?»
«Von den wiedergeborenen Eltern abgelehnt, von den Psychiatern fertiggemacht und von der Freundin in Ledwardine sitzengelassen. Du willst den Menschen vertrauen, aber gleichzeitig hast du Angst davor. Und dann landest du hier und hängst dein Herz als Erstes an einen trübseligen kleinen Fluss.»
«Sehr scharfsinnig von dir, Vikar», hatte Lol gesagt, «aber ich kann mich sehr gut alleine analysieren, vielen Dank.»
Isabel beugte sich so weit zu Lol vor, dass er den Geruch ihres Haarshampoos wahrnehmen konnte. «Er glaubt, dass es Ärger geben wird», murmelte sie.
«Simon?»
«Er braucht dich als Rückendeckung.»
«Mich?»
«Und mich auch. Wer würde sich schon trauen, auf einenGeistlichen loszugehen, der sich um einen kurzsichtigen Songschreiber und einen Krüppel kümmern muss?»
Lol grinste. Inzwischen hatte sich Isabel abgewandt und riet einer Frau, die überhaupt nicht schwanger aussah, mit lauter Stimme, den Termin zur Taufe klarzumachen, bevor es zu spät war. Die Frau sah sie einen Moment lang erschrocken an und brach dann in Gekicher aus. Lol dachte, dass sich die Frau des Vikars schon stärker in diese Gemeinde integriert hatte, als es der Vikar je tun würde.
«Hat denn jemand einen Grund, auf ihn loszugehen?»
«Oh, es gibt immer jemanden, der das gerne tun würde.» Isabel schnitt eine Grimasse. «Manche von den Leuten hier würden alles für Simon tun. Andere … na ja … Das Problem ist, dass ihn so etwas nicht kümmert, verstehst du? Was die Leute von ihm denken oder wen er beleidigt, ist ihm völlig egal. Das war einer der Gründe, aus denen ich ihn heiraten musste. Damit er einen Grund hat, am Leben zu bleiben.»
«Wie bitte?»
«Du gehörst doch hoffentlich nicht zu den Männern, die ständig ‹Wie bitte?› sagen?»
«Wie … nein.»
«Gut. Hat er bei eurer Aufnahme heute gut gespielt?»
«Es war beinahe beängstigend gut.»
«Du solltest ihn erst mal am E-Bass hören. Damit könnte er immer noch sein Geld verdienen, falls sie ihn aus der Kirche rauswerfen.»
«Besteht die Gefahr denn?»
«Er legt’s drauf an», sagte Isabel.
Lol stand auf, um Simon beim Hereintragen der Getränke zu helfen. Bier und etwas Goldbraunes für Isabel. In dem Pub herrschte eine Atmosphäre wie in den Zeiten, vor Rauchverbot und Ventilatoren.
«Da drüben ist Stock», sagte Lol.
Isabel rollte ein Stückchen zurück, um ihn sehen zu können. «Und ganz allein, der arme Kerl. Seine Frau ist wirklich merkwürdig. Fühlt sich in diesem dunklen Loch so wohl wie eine Schleiereule. Soll ich ihn zu uns an den Tisch einladen?»
«Isabel», sagte Simon, als spräche er mit einem Kind, «Stock ist seit mindestens drei Stunden hier. Hast du eine Vorstellung davon, wie betrunken er inzwischen sein muss?»
Lol sagte: «Warum glaubst du eigentlich, dass es Ärger geben wird?»
«Irgendwann begreift man, dass man ihm diese Frage besser nicht stellt», sagte Isabel. «Man soll das Schicksal nie herausfordern.»
Aber es gab trotzdem Ärger. Und zwar in Gestalt Adam Lakes, der in Begleitung einer sehr gutaussehenden jungen Frau mit einem großen Schmollmund und kurzem, champagnerfarbenem Haar in den Pub kam.
«Ist das seine Frau?», fragte Lol.
«Seine Verlobte», sagte Isabel. «Amanda Rae. Sie betreibt ein paar Edelboutiquen in Cheltenham und Worcester. In Hereford hat sie natürlich keinen Laden – die Leute in Hereford würden nie solche Preise zahlen.» Sie nippte an ihrem Drink. «In Cheltenham verkauft sie allerdings auch nicht so gut, schätze ich. Deshalb braucht sie immer einen Mann wie ihn an der Seite. Die beiden sind total oberflächlich, benutzen sich nur gegenseitig, um ihr Bild in der Öffentlichkeit aufzupolieren.»
«Meine Frau, die Sozialkritikerin», murmelte Simon.
«Sind bestimmt gerade zum ersten Mal aus dem Haus gegangen heute, vermute ich», sagte Isabel. «Wegen all der Presseleute, und dann sind es ja auch die
falschen
Zeitungen. Für irgendeine teure Landhauszeitschrift würden sie vermutlich nackt im Poolbaden.» Sie lächelte zu Simon hinüber. «Allerdings hat Simon sich heute auch schon vor zehn Uhr morgens
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