Der Turm der Seelen
der
Provinz-Mafia
, wie Gerard Stock es nennt? Denkt irgendwer, ich hätte Mr. Stock die Unterstützung verweigert, bloß weil ich mich bei diesem Möchtegern-Gutsherrn anbiedern wollte?»
Stille. Niemand reagierte auf den Köder, den Simon ausgelegt hatte. Vielleicht war dieses Vorgehen doch nicht so verrückt.
Simon warf den Kopf zurück. Isabel hielt ihr Glas fest, als erwartete sie, dass es jemand auf den Boden fegen würde. Zigarettenrauch zog langsam zur Decke hinauf.
Und dann begann jemand langsam zu klatschen.
Klatsch … klatsch … klatsch.
Verhalten sahen sich die Leute um.
Stock klatschte einfach weiter, ohne den Blick zu heben. Sein Pintglas war zu drei Vierteln und sein Whiskeyglas war ganz leer. Der freie Raum vor seinem Tisch wurde größer, als die Leute sich automatisch weiter von ihm zurückzogen, bis niemand mehr zwischen Stocks Tisch und dem Tisch stand, an dem Lol und Isabel saßen. Obwohl ihn niemand ansah, fühlte sich Lol unangenehm ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt.
‹Ich kann dir eine richtig
gute Tournee organisieren›
, hallten Prof Levins Worte durch seinen Kopf.
Klatsch … klatsch … klatsch.
«Was gibt’s, Gerard?», sagte Simon.
Stock hörte auf zu klatschen. Sein Blick war verschleiert.
«Siesin ein scheinheiliger Misserl, Vikar.»
Simon zuckte mit den Schultern.
«Aber so überlebt die Kirche eben, was? Bloß keine Partei ergreifn.»
Isabel begann: «Das ist läch …», doch Simon legte ihr eine Hand auf die Schulter, und sie packte ihr Glas noch fester.
«So isses richtig», sagte Stock. «Die Frauen mussman raushaltn.»
Oliver Perry-Jones rief von der Bar aus: «Warum verschwinden Sie nicht einfach, Stock?» Seine Stimme war hoch und gedehnt – wie ein Jagdhorn, dachte Lol. «Nehmen Sie Ihr Geld von den Skandalblättchen, Ihre besoffenen Wahnvorstellungen, und gehen Sie dahin zurück, woher Sie gekommen sind. Leute wie Sie können wir hier nicht brauchen.»
Stock sah einen Moment in sein Bierglas und rülpste, bevor er langsam den Kopf umwandte. Er war offensichtlich ziemlich betrunken. Sein Blick richtete sich mehr oder weniger zielgenau auf Perry-Jones.
«Genau wie der alte Stewart, was? Hat hier auch nich reingepasst, der schwule Zigeunerficker, was?»
«Passen Sie auf, was Sie sagen», kam es wie zu erwarten von Perry-Jones. «Hier sind Damen anwesend.»
Isabel lächelte.
«Wetten …», Stock deutete mit unsicherer Hand auf Perry-Jones. «Ich wette,
Sie
warn
begeistert
, alses Stewart erwischt hat. Geschieht dem Homo recht. Un als Zugabe sind auch noch zwei dreckige kleine Zigeunerjungs ausm Verkehr gezogen worn.»
Keine Reaktion. Stock lächelte verzerrt. Lol bemerkte, dass Al Boswell mit seiner Frau am anderen Ende der Bar saß. Ihre Gesichter waren vollkommen ausdruckslos.
Wir wollen einfach Konflikte vermeiden, das ist alles.
«Hasdie Zigeuner noch nie leiden können, du alter Faschist. Die Zigeuner un die Juden. Du und der alte Lake, was? Verdammte Schwarzhemden. Hasdu die Armbinde noch?»
Lol fragte sich, ob langsam der Punkt erreicht war, an dem der Wirt dazwischengehen würde, aber Derek sah nur auf das Glas, das er gerade trocken rieb. Er wusste, dass genügend Leute da waren, die sich mit Stock herumstreiten konnten – und genügend Leute, die auch wollten, dass es zu einem richtigen Streit kam.
Perry-Jones bebte vor Zorn, doch Lakes gebräuntes Gesicht war so starr wie eine polierte Holzmaske. Seine Freundin Amanda hatte ihr Handy aus der Tasche gezogen. «Ich rufe jetzt die Polizei.»
«Machen Sie nur», sagte Stock milde und sah sie dabei nicht einmal an. «Holnwir die Bullen. Am besten gleich ’nen Mannschaftswagen. Haben wir mehr Publikum. Kriegn wir auch gleich wieder ’ne Menge Presse.» Dann schrie er: «Irgenwelche Schreiberlinge hier?»
Amanda packte ihr Handy fester, wählte jedoch nicht.
«Wo is denn der kleine Lake aufeimal? Wo bist du hin, du Arschloch? Sag mir mal eins: Was machst du, wenn die Smith-Jungs rauskommen? Berufung läuft ja schon. Der Fall wird neu aufgerollt, und die Smiths kommen raus.»
Falls Stock eine Reaktion von Lake erwartet hatte, wurde er enttäuscht. Er wandte sich wieder an Simon.
«Glauben
Sie
, dass es die beiden warn, Vikar? Vielleicht hat die Polizei den Fall ein bisschen zu fix abgeschlossen, was meinen Sie? Sie sin doch ein
toleranter
Typ, oder? Glauben Sie, die Smith-Jungs haben es wirklich getan? Haben Sie sich schon mal gefragt,wer sonst noch gewollt
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