Der Turm der Seelen
noch umgebracht haben könnte, wenn es nicht die Smiths waren. Das war nur eine Frage, keine Verleumdung. Ich habe nicht mal
ihn
gefragt, ich habe
Sie
gefragt. So einfach kriegt er mich nicht dran. Niemand kriegt mich so einfach dran.»
Simon ging zur Tür des Pubs und zog sie ganz zu. «Wie sind Sie überhaupt auf diesen Gedanken gekommen, Gerard?»
Stock tippte sich bedeutungsvoll mit dem Finger an die Nase. Doch statt die Frage zu beantworten, sagte er: «Was für eine Reaktion, Hochwürden. Was für eine wunderbare, spontane Reaktion … und», er legte den Kopf schräg, «noch dazu vor Zeugen.»
Lol fragte sich, wie betrunken Stock zuvor wirklich gewesen war. Immerhin hatte er sich noch genau aufs Stichwort übergeben können.
Ein guter Publicity-Mann verhält sich immer kontrolliert. Erzählt dir, was er dir erzählen will und wann er es dich wissen lassen will. Gutes Timing ist alles.
Was lief hier eigentlich? Lol fühlte sich, als wäre er kurz davor,in etwas hineingezogen zu werden, was ihm möglicherweise nicht gefallen würde. «Kannst du allein nach Hause gehen?», fragte er Stock. «Oder willst du, dass Simon oder ich …»
Stock sah auf den Boden des Vorplatzes hinunter, der mit Schlacke ausgestreut war. «Ich gehe noch nicht nach Hause, Lol, danke. Ich mache noch einen Spaziergang, muss einen klaren Kopf bekommen.»
«Der Pub schließt gleich», sagte Simon. «Nur für den Fall, dass Sie vorhatten, nochmal reinzugehen, um zu testen, ob Sie noch bedient werden.»
«Vielleicht sollte ich mich nach diesem Abend ohnehin nach einem anderen Stammlokal umsehen», sagte Stock und lachte heiser auf. «Was meinen Sie, Vikar?»
«Ich meine, dass Sie auf einem ziemlich dünnen Seil balancieren», sagte Simon.
«Ein weiterer Grund dafür, einen klaren Kopf zu behalten», sagte Stock, «ist, dass mich Ihre Exorzistin besuchen kommt. Morgen treiben wir gewissermaßen Stewart aus.»
Lol erstarrte, als hinter ihm die Tür des Pubs geöffnet wurde. «Danke sehr», sagte Isabel zu jemandem und rollte sich dann selbst heraus. Sie sah Stock. «Verdammt, Sie sind immer noch hier?»
«Also werden Sie diese Frau bitten, das Haus zu exorzieren, oder?», sagte Simon ruhig. «So einfach geht das nicht, wissen Sie, Gerard. Das ist nicht bloß irgendeine Formalität.»
Stock schnaubte bloß. «Gute Nacht, die Herren. Gute Nacht, Mrs. St. John.»
Er machte sich auf den Weg Richtung Straße. Über ihm erhoben sich die Laubwaldhügel, die das Dorf umschlossen. Gelegentlich ragte eine Föhre hoch aus dem Wald und schien wie ein Finger zu dem grünlichen Himmel hinaufzudeuten, an dem sich die ersten Sterne zeigten.
«Gerard», rief Simon, «ich rate Ihnen wirklich, das nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.»
Stock blieb stehen und drehte sich um. Er stand sehr sicher auf seinen Beinen, hob die Hand und deutete mit dem Zeigefinger auf Simon.
«Ausgerechnet
Sie
», sagte er, «sollten nicht versuchen, mir zu erzählen, was ich zu tun habe, Freundchen. Ich bin mit einer ernsthaften Bitte zu Ihnen gekommen, und Sie haben mir gesagt, ich soll mich verpissen. Ganz gleich, was mit dieser Frau passiert,
Sie
sind daran schuld. Vergessen Sie das nicht.»
Danach wandte sich Stock wieder um und ging davon.
Lol begleitete die St. Johns zurück zu ihrem Pfarrhaus. Simon schob Isabels Rollstuhl, und von den Malverns blinkten Lichter herüber.
«Ehrlich, Simon», sagte Isabel, «du stinkst abartig.»
Sie überquerten die Buckelbrücke über den stillen Frome und gingen zwischen Hopfenfeldern entlang, an deren Gerüsten schwer die grünen Ranken hingen. Simon sah zur Kirche hinüber, die mit ihrem gedrungenen Turm, der niedriger war als die Bäume ringsum, klein und unauffällig etwa fünfzig Meter vom Ufer des Flusses entfernt stand.
«Da riechen die Stänkereien, die Stock anzettelt, viel besser, was?»
«Ich glaube nicht, dass er recht hat, was Lake angeht», sagte Lol. «Als er behauptete, er hätte einfach nur eine Frage gestellt, und dass Lake sich so draufgestürzt hat, wäre ein Zeichen für Schulbewusstsein …»
«Ich hätte nichts dagegen, wenn sich herausstellen würde, dass Lake die Hand im Spiel hatte.» Isabel sah zu Lol hoch. «Aber ich glaube auch nicht, dass da was dran ist. Er war schlau genug, um mitzubekommen, was Stock erreichen wollte, dann hätteer auch intelligent genug sein müssen, um sich zu beherrschen –
falls
er etwas zu verbergen gehabt hätte. Ergibt das irgendeinen
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