Der Turm von Zanid
stoben in alle Richtungen auseinander und verschwanden blitzschnell in den Seitenstraßen und Gässchen.
»Ergreift mir ein paar Zeugen!« schrie Fallon und lief zum Brennpunkt des Geschehens.
Jetzt, da sich das Getümmel gelichtet hatte, sah er, dass direkt neben dem Brunnen zwei Krishnaner mit schweren, kurzen Rapieren – der typischen Nahkampfwaffe der Varasto-Nationen – aufeinander eindroschen.
Aus dem Augenwinkel nahm er wahr, wie Qone, einer der Krishnaner aus seinem Zug, einem der Flüchtenden mit dem Haken seiner Pike ein Bein stellte und sich dann auf sein Opfer stürzte. Fallon selbst stürmte auf die beiden Streithähne zu, in der Absicht, ihnen mit seiner Pike die Rapiere aus der Hand zu schlagen.
Doch ehe er sie erreicht hatte, blickte sich einer der beiden um, durch den plötzlichen Zwischenfall abgelenkt, und ließ dabei seinen Kontrahenten für einen Wimpernschlag aus den Augen.
Der letztere nutzte die Gelegenheit, sprang vor und schlug ihm mit einem gewaltigen Hieb das Schwert aus der Hand. Es wirbelte in hohem Bogen durch die Luft und landete scheppernd auf dem Pflaster. Sofort setzte er nach und ließ seine Klinge mit voller Kraft auf den Kopf seines Gegners niedersausen.
Der ist hinüber, schoss es Fallon durch den Kopf. Der Getroffene schlug rücklings auf das Pflaster. Der andere sprang vor, um ihm den Todesstoß zu versetzen. Doch in dem Moment, als er ausholte, fuhr Fallons Pike dazwischen und blockte den Hieb ab.
Mit einem gurgelnden Wutschrei stürzte sich der Duellant auf Fallon, der sich von der mörderischen, blindwütigen Attacke zurückgedrängt sah, als im letzten Moment Cisasa, der Osirer, hinter dem Kerl auftauchte, ihm mit seinen Schuppenarmen um die Hüfte packte und ihn kurzerhand – platsch – in den Brunnen warf.
Im selben Augenblick erschien Qone, seinen Zeugen an einem Halsstrick hinter sich herzerrend. Als sich Sekunden später der untergetunkte Duellant einem Meeresgott gleich wieder aus den Wassern des Brunnens erhob, ergriff Cisasa ihn abermals, wuchtete ihn über den Brunnenrand und schüttelte ihn durch, bis ihm die Kampfeslust vergangen war.
»Ter iss petrunken«, zischte der Osirer.
Jetzt tauchte der letzte Wachmann, ebenfalls ein Krishnaner, wieder am Schauplatz des Geschehens auf, ziemlich aus der Puste, eine Jacke an der Spitze seiner Pike schwenkend. »Meiner ist mir leider entwischt.«
Fallon beugte sich über die Leiche auf dem Pflaster, die plötzlich stöhnte, sich aufrichtete und an den blutenden Kopf griff. Eine nähere Untersuchung des Kopfes erwies, dass die Falten seines Strumpfturbans den Hieb gedämpft und seine Wirkung gemildert hatten.
Fallon half dem verwundeten Krishnaner auf die Beine und sagte: »Der hier ist auch betrunken. Was sagt der Zeuge?«
»Ich habe alles gesehen!« schrie der Zeuge. »Warum habt Ihr mir ein Bein gestellt? Ich wäre auch freiwillig gekommen. Ich stehe immer auf der Seite des Gesetzes!«
»Ich weiß«, sagte Fallon trocken. »Es war bloß eine optische Täuschung, dass du weggelaufen bist. Erzähl uns deine Geschichte.«
»Nun, Herr, der mit der Kopfwunde ist ein Yeshtit, und der andere ist ein Anhänger eines neuen Kults, der sich ›Krishnanische Scientisten‹ nennt. Sie hatten in Razjuns Taverne einen Disput. Der Krishnanische Scientist stellte die Behauptung auf, das Böse existiere nicht, und daher seien der Safq und der Tempel des Yesht darin keine Realität, desgleichen auch die Anbeter des Yesht. Nun, dieser Yeshtit war offensichtlich sehr wohl der Auffassung, eine Realität zu sein, und griff den Scientisten mit herausfordernden Worten …«
»Er lügt«, sagte der Yeshtit. »Ich habe keine herausfordernden Worte gesagt! Ich habe mich lediglich gegen den kecken Angriff dieses elenden Schurken verteidigt …«
Der ›elende Schurke‹, der sich inzwischen das Wasser so weit aus der Luftröhre gehustet hatte, dass er wieder zu Atem gekommen war, brüllte dazwischen: »Selber Lügner! Wer hat mir denn einen Krug Falatwein ins Gesicht geschüttet? Wenn das keine Herausforderung ist …«
»Das war nur ein sanfter Beweis meiner realen Existenz, du Sohn Myandes, des Scheußlichen!« Der Yeshtit, über dessen Gesicht ein Rinnsal dunklen Blutes troff, warf Fallon einen hasserfüllten Blick zu und ergoss jetzt seinen ganzen Zorn über den Terraner. »Eine terranische Kreatur, die einem gesetzestreuen Balhibu in seiner eigenen Hauptstadt Befehle erteilt! Warum geht ihr Barbaren nicht zurück auf euren
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