Der Turm von Zanid
verdammten Planeten, von dem ihr gekommen seid? Warum verderbt ihr den Glauben unserer Vorfahren mit euren entarteten, umstürzlerischen Irrlehren?«
»Könnt ihr drei diesen Theologen und seinen Freund zum Gerichtshaus schaffen?« fragte Fallon seine Leute.
»Jawohl«, antworteten die Krishnaner.
»Dann bringt sie hin. Wir treffen uns dann rechtzeitig vor Beginn der zweiten Runde in der Rüstkammer.«
»Wieso mich auch?« zeterte der Zeuge. »Ich bin ein anständiger, gesetzestreuer Bürger. Ich kann jederzeit vorgeladen werden …«
»Wenn Ihr Euch vor Gericht ausweisen könnt, lassen sie Euch vielleicht wieder laufen.«
Die Gefangenen wurden in Ketten gelegt, und wenig später verschwand die Prozession in einer Seitenstraße. Fallon war froh, dass er nicht mitzugehen brauchte. Bis zum Gerichtshaus waren es gut drei Hoda, und die Omnibus-Kutschen verkehrten um diese Zeit nicht mehr.
Zudem war er froh, dass er jetzt Gelegenheit hatte, den Safq auf eigene Faust zu besuchen. In seiner offiziellen Funktion als Gardist konnte er dies tun, ohne Argwohn zu erregen, und das um so ungestörter, da seine Streifenkollegen nicht dabei waren. Bis jetzt schien ihm das Glück hold.
Anthony Fallon schulterte seine Pike und marschierte in östlicher Richtung los. Nach ein paar Häuserblocks sah er die Spitze des Safq über den Dächern der Häuser auftauchen. Das Gebäude stand direkt an der Grenze, die den Juru-Bezirk vom Bacha-Bezirk trennte, in dem sich fast alle übrigen Tempel Zanids befanden. Religion war das Geschäft der Bacha, so wie das Handwerk das Geschäft der Izandu war.
Das Balhibo-Wort Safq ist der Sammelbegriff für die Familie der kleinen wirbellosen Tiere Krishnas, gleich ob es sich um Wasser- oder Landbewohner handelt. Ein gewöhnlicher Land-Safq ähnelt stark einer terranischen Schnecke. Wie diese hat er ein spiralförmig gewundenes Haus; doch anders als diese bewegt er sich nicht auf einem selbsterzeugten Schleimteppich vorwärts, sondern kriecht auf Myriaden kleiner Füße.
Der eigentliche Safq war ein gewaltiger konischer Stufenturm aus handgehauenen Jadeitblöcken von mehr als hundertfünfzig Metern Höhe, mit spiralförmiger Kanellierung, in offensichtlicher Nachbildung des Gehäuses eines lebendigen Safq. Sein Ursprung verlor sich im Dunkel der krishnanischen Geschichte. Während der Periode der Stadtstaaten, die auf die Zerstörung des Kalwm-Reiches durch die damals noch barbarischen Varastuma-Völker folgte, war die Stadt Zanid um den Safq herum entstanden. Sie hatte sich damals so dicht an ihn geschmiegt, dass man ihn nur noch aus der Entfernung hatte erkennen können. König Kirs großer Vorgänger, König Balade, hatte später die Häuser rings um den Monumentalbau abreißen und rings um ihn einen kleinen Park anlegen lassen.
Diesen Park betrat Fallon nun und wanderte langsam um das riesige Gebäude herum, die Ohren gespitzt, mit den Augen jeden Quadratmeter des Turms abtastend, so als könne er durch schiere Willenskraft seinen Blick zwingen, den Stein zu durchdringen.
Dazu bedurfte es indes mehr als nur eines Blickes. Zahlreiche Plünderer hatten während der vergangenen Jahrtausende versucht, sich mit Gewalt Zugang ins Innere des Gebäudes zu verschaffen, waren jedoch allesamt an der Härte des Jadeits gescheitert. Soweit die Geschichtsschreibung zurückreichte, hatten die Priester des Yesht den Safq in Besitz gehabt.
Nun war freilich der Safq nicht das einzige Gebäude, das dem Yesht-Kult gehörte: Es gab noch eine ganze Reihe kleinerer Tempel in Lussar, Malmaj und anderen kleineren Städten Balhibs. Und jenseits des kleinen Parks, im Osten, hinter der Grenze zum Bacha, konnte Fallon den Zwiebelturm der Yesht-Kapelle ausmachen. Diese wurde für die zweitrangigen Gottesdienste verwendet, zu denen die breite Öffentlichkeit zugelassen war. Außerdem diente sie als Unterrichtsgebäude für angehende Konvertiten und als Stätte religiöser Veranstaltungen. In ihre Hauptfestung jedoch ließen die Priester des Yesht nur zu besonderen Anlässen Laien ein, und dann nur bewährte und langjährige Mitglieder der Sekte.
Fallon hatte jetzt den Eingang erreicht, der der Schalenöffnung eines echten Safq nachempfunden war. Die Strahlen Karrims fielen auf die mächtigen Bronzetüren, die – so die Gerüchte – sich auf Kugellagern aus Juwelen bewegten. Sie trugen noch immer die Spuren des gescheiterten Angriffs der Krieger von Ruz, die Hunderte von Krishnajahren zuvor gegen den Safq angerannt
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