Der Turm von Zanid
missmutig die Ramandu-Pfanne beiseite. »Schade! Ich schwelgte eben in einer wunderschönen Vision, als du hier hereingeplatzt kamst und sie zerstörtest. Aber wie sagt man so schön? Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Gehen wir also, mein Freund.«
»Zu Kastambang?«
»Wohin sonst?«
5
D raußen auf der Straße winkte Qais einen Khizun heran, eine von einem Aya gezogene Mietdroschke, und stieg ein. Fallons Stimmung hob sich sofort. Es war einige Zeit vergangen, seit er sich zum letzten Mal den Luxus einer Droschke hatte leisten können, und Kastambangs Büro lag im Geschäftsviertel Kharju, am entgegengesetzten Ende der Stadt.
Zuerst fuhren sie durch die muffigen Gassen des A’vaz; dann durchquerten sie den Nordteil des Izandu-Bezirks. Nachdem sie diesen hinter sich gelassen hatten, fuhren sie ein Stück zwischen der Glitzerwelt der Theater des Sahi-Bezirks zur Linken und der düsteren Lärmkulisse des Izandu-Industriegebietes zu ihrer Rechten entlang. Rauch stieg aus Schmieden, und das Getöse von Hämmern, Bohrern, Feilen, Sägen und anderen Werkzeugen vereinigte sich zu einem durchdringenden Kreischen. Danach ratterten sie über breite Boulevards und durchquerten einen kleinen Park, in dem der Wind aus der nahe gelegenen Steppe kleine Staubwirbel tanzen ließ.
Schließlich tauchten sie in die strotzende Pracht des Kharju mit seinen Geschäften und Handelshäusern ein. Als sie nach Südosten abbogen, erhob sich vor ihnen der einzige Hügel der Stadt, dessen Spitze das uralte Schloss der Könige von Balhib krönte.
»Dort wohnt Kastambang«, sagte Qais und deutete mit seinem Stock auf ein Haus.
Fallon überließ frohgemut Qais die Entlohnung des Kutschers (schließlich schöpfte der Meisterspion aus der bodenlosen Schatztruhe des Ghuur von Uriiq) und folgte ihm in das Gebäude. Es gab auch hier den unvermeidlichen Türsteher und den üblichen reich verzierten Innenhof, für dessen standesgemäße Ausschmückung Springbrunnen und Statuen aus dem fernen Katai-Jhogorai sorgten.
Kastambang, dem Fallon noch nie begegnet war, erwies sich als riesiger Krishnaner, dessen grünes Haar schon zu einem blassen Jadeton verblichen war. Sein großes breites Gesicht war von tiefen Furchen durchzogen. Sein tonnenförmiger Körper war in eine scharlachrote Toga im Stil von Suruskand gehüllt. Nach einer förmlichen Vorstellung sagte Qais: »Herr, wir würden Euch gern ungestört sprechen.«
»Oh«, sagte Kastambang, »das lässt sich einrichten, meine Herren, das lässt sich einrichten.«
Ohne eine Miene zu verziehen, schlug er gegen einen kleinen Gong auf seinem Schreibtisch. Die Tür des Konferenzzimmers öffnete sich, und ein Geschwänzter aus den Koloft-Sümpfen Mikardands steckte den haarigen Kopf herein.
»Mach das Kellergewölbe bereit!« wies ihn, der Bankier an und sagte dann, zu Fallon gewandt: »Wollt Ihr eine Zigarre, Erdenmensch? Es dauert noch einen Moment, dann können wir hinuntergehen.«
Die Zigarre war ausgezeichnet. Der Bankier sagte: »Habt Ihr die Gelegenheit Eures Besuches genutzt, an unserem Fest teilzunehmen, Meister Turanj?«
»Ja, Herr. Gestern Abend habe ich mir ein Theaterstück angeschaut, das dritte in meinem Leben.«
»Was gab’s denn?«
»Saqqiz’ Kummervolle Tragödie von Königin Dejanai von Qirib, in vierzehn Akten.«
»Und? Habt Ihr es eindrucksvoll gefunden?«
»Bis etwa zum zehnten Akt. Danach schien sich der Autor nur noch zu wiederholen. Hinzu kam, dass die Bühne so sehr mit Leichen übersät war, dass die Schauspieler, die Rollen mit viel Bewegungen zu spielen hatten, immer wieder höllisch aufpassen mussten, um nicht über sie zu stolpern.« Qais gähnte ungeniert.
Kastambang machte eine verächtliche Geste. »Wenn Ihr mich fragt, dieser Saqqiz aus Ruz gehört zu diesen superintellektuellen Avantgardisten, die die Tatsache, dass sie nichts zu sagen haben, geschickt dadurch zu überspielen versuchen, dass sie es auf eine möglichst exzentrische Art und Weise sagen. Ihr solltet Euch an die wiederentdeckten Klassiker, wie zum Beispiel Harians Verschwörer halten, das morgen Abend Premiere hat.«
In diesem Moment kam der Koloftu zurück und sagte: »Es ist alles vorbereitet, Herr.«
»Kommt, meine Herren!« sagte Kastambang und wuchtete sich aus seinem Stuhl.
Im Stehen wirkte er weit weniger eindrucksvoll als im Sitzen: Seine Beine waren ziemlich kurz, und er bewegte sich nur mühsam unter Schnaufen und Hinken vorwärts. Er führte sie den Gang hinunter zu
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