Der Turm von Zanid
ganz daran gewöhnen können, ohne Uhr auszukommen. Und die Krishnaner hatten noch keine Armbanduhren entwickelt – sie waren gerade so weit, dass sie die ersten primitiven mechanischen Großuhren herstellen konnten.
Gazi und Fredro hielten Fallon mit Übersetzen in Trab, denn Gazi kannte praktisch keine irdische Sprache, und Fredros Balhibou-Kenntnisse hielten sich immer noch in sehr bescheidenen Grenzen. Nichtsdestoweniger stellte er eifrig Fragen über krishnanische Hauswirtschaft, während Gazi ihrerseits alles daran setzte, dem Gast zu imponieren. Sie versuchte, ihre Verlegenheit zu verbergen, als sie vor dem trist aussehenden Backsteinhäuschen hielten, das Fallon sein Heim nannte. Es war zwischen zwei großen Häusern eingezwängt, und an einigen Stellen, wo es sich unregelmäßig abgesenkt hatte, klafften große Risse in der Fassade. Es besaß nicht einmal einen Innenhof, eine Tatsache, die es in Balhib praktisch in den Rang einer Hütte degradierte.
»Sag ihm«, drängte Gazi Fallon, »dass wir hier nur für kurze Zeit wohnen, bis du eine Unterkunft gefunden hast, die unseren Ansprüchen genügt.«
Fallon ignorierte ihre Bitte und führte Fredro hinein. Ein paar Minuten später erschienen er und Gazi wieder im Vorderraum, beide in ihre Sufkira gekleidet – große, togaartig um den Körper geschlungene Tücher.
»Es ist nur ein kurzes Stück zu Fuß«, sagte Fallon. »Wird Ihnen gut tun.«
Sie gingen die Asadastraße nach Osten, bis zu der Stelle, wo sie sich mit der aus Südosten kommenden Ya’fal-Straße vereinigte, und bogen dann nach links Richtung Qarar-Platz ab. Je näher sie dem Platz kamen, desto mehr Leute kamen aus den Seitenstraßen und -gassen, bis sie schließlich von einer in Sufkira gehüllten Menschenschar umgeben waren.
Dutzende Zaniduma hatten sich bereits auf dem Qarar-Platz versammelt, wo Fallon und seine Abteilung erst in der Nacht zuvor die beiden Duellanten auseinander gebracht hatten. Unter ihnen waren nur wenige Nichtkrishnaner zu sehen. Die meisten nichtkrishnanischen Rassen hatten für die balhibischen Badesitten nichts übrig. So konnten zum Beispiel die Osirer mit Wasser überhaupt nichts anfangen; sie schabten sich lediglich in gewissen Abständen ihre Körperbemalung herunter und erneuerten sie. Und die Thothianer, die exzellente Schwimmer waren, bestanden auf totalem Eintauchen. Und die meisten Terraner hielten das Tabu ihres Planeten bezüglich öffentlicher Entblößung ein, es sei denn, sie stammten aus einem Land wie Japan oder hatten sich an die krishnanische Lebensweise angepasst.
Der von zwei struppigen sechsbeinigen Shaihans gezogene Wasserwagen stand nahe der Statue des Qarar. Die Pflastersteine rings um ihn herum glänzten, wo der Gehilfe des Kutschers sie mit ein paar Eimern Wasser übergössen, und geschrubbt hatte. Es war ein ungewöhnlich muskulöser geschwänzter Koloftu. Er war gerade mit dem Schrubben fertig und hängte seinen langstieligen Schrubber an seinen Haken an der Seite des Karrens.
Der Kutscher selbst war unterdessen auf den Tank geklettert und schwenkte die an der Außenwand des Tanks befestigten verstellbaren Brausen über die Menge. Als er alle Brausen ausgeklappt hatte, rief er: »Macht euch fertig!«
Die Menge geriet in Bewegung. Die eine Hälfte legte ihre Sufkira ab und reichte sie der anderen zum Festhalten. Die Nackten drängten sich nach vorn zum Wagen, um einen möglichst günstigen Platz unter den Brausen zu erwischen, die anderen zwängten sich zurück zum Rand des Platzes.
Fallon drückte seinen Sufkir Fredro in die Hand und sagte: »Da, halten Sie den mal einen Moment für mich!«
Gazi folgte seinem Beispiel. Fredro machte ein ziemlich verdutztes Gesicht, nahm die Kleider aber und sagte: »So was ähnliches wir hatten auch in Polen vor Periode von russischem Einfluss vor zweihundert Jahren. Russen meinten, es wäre nye kulturno. Ich nähme an, man kann nicht teilnehmen an Bad, wann man keinen dabeihat, der diese Sachen hält.«
»Ganz recht. Die Zaniduma haben lange Finger. Heute ist praktisch das erste Mal, dass Gazi und ich die Gelegenheit haben, gleichzeitig zu duschen. Wenn Sie nachher auch duschen wollen …«
»Nein, vielen Dank! Im Hotel ich habe fließendes Wasser.«
Fallon, das Familienstück Seife in der einen Hand, mit der anderen Gazi im Schlepptau hinter sich herziehend, bahnte sich einen Weg zur nächstgelegenen Brause. Der Kutscher und sein Gehilfe hatten die Scharniere ihres schwenkbaren Röhrensystems
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