Der Turm von Zanid
eine Menge Ausstrahlung verfügte. Die lange Nase bebte, und die braunen Augen leuchteten vor Bekehrungseifer. Wenn Fallon gelegentlich eine Frage oder kritische Anmerkung einwarf, begrub Wagner ihn unter einer Lawine von Dialektik, Zitaten und Mahnungen, auf die er, selbst wenn er gewollt hätte, nichts hätte erwidern können.
Als jedoch nach mehr als einer Stunde – Roqir war inzwischen untergegangen – der Mob von Zanid noch immer nicht aufgetaucht war, unterbrach Fallon, der zudem langsam Hunger bekam, die Unterhaltung: »Seien Sie mir nicht böse, wenn ich Sie jetzt rauswerfe, mein Freund, aber …«
»Oh, natürlich, Sie wollen essen. Ich vergesse immer die Zeit, wenn ich Zeugnis für die Wahrheit ablege. Natürlich hätte ich nichts dagegen, bei Ihnen zu essen, wenn es nicht gerade Safqa oder Ambara gibt …«
»Freut mich, Sie kennen gelernt zu haben«, sagte Fallon unmissverständlich und zog das Sofa von der Tür weg. »Hier ist Ihr Turban, und lassen Sie sich nicht in Versuchung führen.«
Mit einem Seufzer wickelte Wagner sich den langen schmutzigen weißen Stoffstreifen um das glatte schwarze Haar. »Ja, dann werd ich jetzt wohl mal gehen. Aber ich lass Ihnen meine Karte da.« Er überreichte Fallon eine in Englisch, Portugiesisch und Balhibou bedruckte Visitenkarte. »Die Adresse ist eine Pension im Dumu. Wann immer Sie sich niedergeschlagen fühlen, kommen Sie zu mir, und ich werde Sie mit göttlichem Licht wieder aufhellen!«
»Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf«, sagte Fallon. »Sie kommen bei den Krishnanern bestimmt nicht weiter, wenn Sie jedes Mal gleich am Anfang Ihrer Bekehrungsversuche gegen ihre angestammten Bräuche wettern. Schließlich sind die im Laufe vieler Generationen gewachsen und sehr wohl auf ihre Lebensverhältnisse abgestimmt.«
Wagner senkte betroffen den Kopf. »Ich will versuchen, in Zukunft etwas mehr Takt walten zu lassen. Gehen Sie nicht zu hart mit mir ins Gericht. Schließlich bin auch ich nur ein armer, fehlbarer Sünder wie alle anderen. Nochmals vielen Dank. Auf Wiedersehen – und möge der wahre Gott Sie segnen und behüten.«
»Bakh sei Dank, er ist weg!« sagte Fallon aufatmend. »Wie wär’s mit einem kleinen Imbiss, meine Liebe?«
»Ich mache uns gleich was«, sagte Gazi. »Aber ich glaube, du tust Meister Wagner Unrecht. Zumindest scheint er zu den wenigen Menschen zu gehören, die sich nicht von Selbstsucht leiten lassen.«
Obwohl Fallon von all dem Kvad, den er während Wagners Sermon in sich hineingekippt hatte, schon ein wenig wacklig auf den Beinen war, schenkte er sich noch einen ein. »Hast du nicht mitgekriegt, wie dieser Zaft sich auf die ganz geschickte Tour zum Abendessen einladen wollte? Ich traue dieser Sorte nicht, die sich immer als ein Muster an Selbstlosigkeit hinstellen. Wagner war früher ein Abenteurer, musst du wissen – einer, der von seinem Grips gelebt hat; und wenn du mich fragst, tut er das auch heute noch.«
»Du beurteilst jeden Menschen nach dir selbst, Antane, egal, ob Krishnaner oder Terraner. Ich glaube, dass Meister Wagner im Grunde genommen ein guter Mensch ist, auch wenn seine Methoden unbesonnen und ungerecht sein mögen. Über seine Theologie vermag ich mir kein Urteil zu erlauben, aber wer weiß, vielleicht hat er recht damit. Zumindest klangen seine Argumente um keine Spur weniger einleuchtend als die der Jünger von Bakh, Yesht, Qondyor und allen übrigen.«
Fallon starrte missmutig in seinen Drink. Die unverhohlene Bewunderung, die seine Jagaini dem von ihm verachteten Wagner entgegenbrachte, wurmte ihn, und der Alkohol hatte ihn waghalsig gemacht. Um Gazi zu beeindrucken und um gleichzeitig das Gespräch auf ein Thema zu lenken, bei dem er glänzen konnte, brach er sein Prinzip, niemals mit ihr über geschäftliche Dinge zu reden, und sagte: »Übrigens, wenn die Sache klappt, die ich zur Zeit am Laufen habe, dürften wir Zamba so gut wie im Sack haben, mit Schnur drum.«
»Was ist es denn?«
»Ach, ich habe da so einen kleinen Handel gedreht. Wenn ich einer bestimmten Partei Informationen verschaffe, kriege ich so viel Geld, dass ich einen neuen Anfang machen kann.«
»Und was ist das für eine Partei?«
»Darauf würdest du nie kommen. Er tritt nach außen hin als Marktschreier und Scharlatan auf, doch er hat Macht über das gesamte Gold des Dakhaq. Ich bin heute morgen mit ihm bei Kastambang zusammengetroffen. Kastambang hat einen Wechsel ausgestellt, und er hat ihn unterschrieben, und dann
Weitere Kostenlose Bücher