Der Turm von Zanid
keine Spur von Schadenfreude entdecken. Obwohl Fallon es sich nur ungern eingestand, sah es ganz so aus, als hätte der Konsul ihm tatsächlich nichts weiter als einen Freundschaftsdienst erweisen wollen.
»Danke«, sagte Fallon schließlich. »Jetzt brauche ich bloß noch Gazi die Nachricht beizubringen, ohne dass sie mir was verbiegt. Und um mich da ungeschoren herauszuwinden, brauchte ich schon die Weisheit eines ’Anerik.«
»Tja, da kann ich Ihnen leider nicht helfen. Warum müssen Sie auch mit diesen großen muskulösen Krishnanerweibern zusammenleben …«
Fallon enthielt sich der Bemerkung, dass Mjipas eigene Frau es von ihrer Statur her mit jedem Elefanten ihres Heimatkontinents aufnehmen konnte. »Werden Sie auch bei der Fete sein?« fragte er.
»Nein. Ich habe zwar für Fredro und mich Einladungskarten organisiert, aber er hat es sich inzwischen anders überlegt.«
»Ach! Ich dachte, er wäre ganz wild darauf.«
»Er hat von den Raubtierkämpfen gehört, die sie bei diesen Feten inszenieren, und er hasst Grausamkeiten. Und was mich betrifft, so kriege ich davon lediglich Kopfschmerzen. Ich bleibe lieber zu Hause und lese in aller Ruhe ›Abbeq und Dangu.«
»Etwa in der Originalfassung auf Gozashtando? Alle zweihundertvierundsechzig Gesänge?«
»Na klar«, sagte Mjipa grinsend.
»Mein Gott, bin ich froh, dass ich kein Intellektueller bin! Eine grauslige Vorstellung, so eine Schwarte lesen zu müssen! Da fällt mir ein, Sie haben doch neulich was von falschen Fühlern und sonstigen Verkleidungsutensilien verlauten lassen, die Sie mir besorgen würden.«
»Gut, dass Sie mich daran erinnern.« Mjipa kramte in einer Schublade und zog ein Päckchen hervor. »Darin finden Sie genug Kosmetika für zwei: Haarfärber, Ohren, Antennen und den üblichen Kram. Da die Erdenmenschen das Zeug hier in Balhib so gut wie nicht mehr benutzen, müssten Sie damit eigentlich problemlos durchkommen.«
»Danke. Also dann tschüs, Percy.«
Fallon schlenderte hinaus, fieberhaft nachdenkend. Als erstes unterdrückte er – nicht ohne inneren Kampf – das heftigst in ihm aufkeimende Verlangen, sich so tierisch volllaufen zu lassen, dass die verdammte Party vorüber sein würde, bevor er wieder aus seinem Rausch erwachte. Doch dann entschloss er sich angesichts des schönen Wetters, einen kleinen Spaziergang entlang der Stadtmauer zu machen, statt auf direktem Wege nach Hause zu gehen.
Er wollte weder mit Gazi Streit bekommen noch mit ihr brechen. Andererseits würden mit Sicherheit die Fetzen fliegen, wenn er ihr rundheraus die Wahrheit sagte. Es war ganz eindeutig seine Schuld, dass er sich nicht die Mühe gegeben hatte, das Kleingedruckte auf der Einladungskarte zu entziffern. Zwar hatte er ihr die Karte auch gezeigt, womit auch sie Gelegenheit gehabt hätte, den fatalen Satz zu lesen. Aber es würde nichts nützen, ihr das zu sagen.
Der ihm nächstgelegene Abschnitt der Mauer lag im Osten, genau entgegengesetzt zu seiner Wohnung, da, wo die Mauer sich vom Palast auf dem Hügel zum Lummish-Tor erstreckte. Der größte Teil des Geländes von den Befestigungsanlagen rings um den Palast bis zum Lummish-Tor wurde von den Kasernen der regulären Armee Balhibs eingenommen. Diese Kasernen wurden von dem jeweiligen Regiment belegt, das in der Hauptstadt Dienst tat. Hinzu kamen die Offiziere und sonstige zur besonderen Verwendung abgestellte Soldaten. Zu diesen letzteren gehörte auch Hauptmann Kordaq, seines Zeichens Befehlshaber der Juru-Kompanie der Stadtwache.
Der Gedanke an Kordaq löste in Fallon eine neue Kette an Spekulationen aus. Vielleicht, wenn er es richtig anstellte … Er fragte in der Kaserne nach Kordaq, und wenig später erschien der Hauptmann, brilleputzend.
»Hallo, Kordaq«, begrüßte ihn Fallon jovial. »Wie lebt es sich denn so in der regulären Truppe?«
»Seid mir gegrüßt, Meister Antane! Um Eure Frage zu beantworten, wenngleich sie nur als höfliche Floskel gemeint war: Es ist hart und doch nicht gänzlich ohne Reiz.«
»Irgendwelche neuen Gerüchte bezüglich eines Krieges?«
»Nun, die Gerüchte schwirren weiter umher wie aufgescheuchte Aqebats, jedoch nicht dichter als früher. Man wird mit der Zeit immun dagegen, so wie einer, der die Bambir-Pest überlebt hat, sich nie wieder vor ihr zu fürchten braucht. Doch sagt an, mein Freund, was führt Euch in dieses trostlose Gebäude?«
»Ich stecke in einer Klemme, mein Freund, und Ihr seid der einzige, der mir da heraushelfen
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