Der Turm von Zanid
wasserbewohnenden Stämmen entwickelt: einem eierlegenden vierbeinigen und einem lebendgebärenden sechsbeinigen. Das viergliedrige Unterreich umfasste die diversen humanoiden Gattungen sowie eine Anzahl anderer Formen, darunter auch das große kamelartige Shomal. Das sechsbeinige Unterreich schloss zahlreiche Landlebewesen ein, so zum Beispiel die als Reit- und Zugtiere verwendeten Aya, Shaihun, Eshun und Bishtar; dazu den Großteil der Fleischfresser und alle Flugtiere, wie zum Beispiel den Aqebat, dessen mittleres Gliederpaar sich im Laufe der Entwicklung zu fledermausartigen Schwingen herausgebildet hatte. Eine konvergente Evolution hatte zwischen den vier- und den sechsbeinigen Stämmen verblüffende Parallelen geschaffen, vergleichbar der zwischen den humanoiden Krishnanern und den artmäßig vollkommen unverwandten Erdenmenschen.
Fallon vermutete, dass man beide Tiere systematisch so lange malträtiert und gereizt hatte, bis sie zu höchster Wut und Aggressivität angestachelt waren. Ihr normaler Instinkt hätte nämlich eher bewirkt, dass sie sich einander aus dem Weg gingen.
Der Yeki duckte sich und glitt langsam auf dem Bauch vorwärts, etwa wie ein Katze, die sich an einen Vogel heranpirscht, die dolchscharfen Fangzähne zu einem drohenden Knurren gebleckt. Der Shan bäumte sich auf, den langen Echsenkörper wie einen Schwanenhals in die Höhe reckend, und begann sich seitwärts auf sechs krallenbewehrten Beinen in seltsam abgehacktem Schritt halbkreisförmig um den Yeki herumzubewegen, dabei fortwährend wütende Knurrlaute zwischen den furchterregenden Zahnreihen hervorstoßend. Als der Yeki sich näher heranschob, schnellte der Kopf des Shans blitzartig vor, und seine Kinnladen schlossen sich mit klirrendem Schnappen – doch der Yeki hatte den Angriff geahnt und zuckte blitzschnell zurück und außer Reichweite. Sofort begann er sich erneut in Pirschhaltung an den Shan heranzuschieben.
Mittlerweile hatte sich das Publikum in einen Zustand wildester Erregung gesteigert. Es war wie in einem Tollhaus. Quer über die Grube brüllte man sich Wetten zu; die Zuschauer in den hinteren Reihen hüpften wie Affen auf ihren Sitzen herum und schrien den vor ihnen Stehenden zu, sie sollten sich setzen. Aus dem Augenwinkel sah Fallon, wie Chindor er-Qinan neben ihm seinen eleganten Hut in Fetzen riss.
Schnapp-schnapp-schnapp machten die mächtigen Kiefer. Der Tumult steigerte sich zu ohrenbetäubendem Jubelgeheul, als der erste Blutstropfen zu sehen war. Der Yeki war einer der blitzartigen Attacken des Shans nicht schnell genug ausgewichen, und die Fänge des tropischen Räubers hatten sich in die Schulter des Gegners gebohrt und einen Fetzen Fleisch herausgerissen. Kakaobraunes Blut rann über das schimmernde Fell des Yeki.
Ein paar Sitze weiter versuchte ein Krishnaner mit Chindor eine Wette abzuschließen, aber keiner von beiden vermochte sich über den Lärm hinweg verständlich zu machen. Schließlich wurde es Chindor zu bunt, und er kletterte über Fallons Knie und ein paar Stühle hinweg in den Mittelgang. Von dort aus zwängte er sich weiter zu seinem Partner durch, der auf seinem Stuhl stand und durch die trichterförmig um den Mund gelegten Hände seine Wetteinsätze in Richtung des Edelmanns brüllte. Inzwischen hatten sich zahlreiche Zuschauer aus den hinteren Rängen nach vorn gedrängt und verfolgten das Schauspiel jetzt über die Schultern der vorn Sitzenden.
Schnapp-schnapp! Und wieder floss Blut. Jetzt hatte es auch den Shan erwischt. Die Luft war schwanger von Zigarettenrauch, Parfüm, Alkohol und den Ausdünstungen der Zuschauer und der beiden Raubtiere. Fallon musste husten. Liyara, der Geldgießer, kreischte irgend etwas Unverständliches.
Wieder näherten die geifernden Mäuler der Bestien einander, bereit, bei der geringsten Blöße des Gegners sofort zuzuschnappen. Fallon ertappte sich dabei, wie seine Hände das Geländer so fest umklammerten, dass die Knöchel weiß hervortraten.
Mit wütendem Gebrüll prallten der Shan und der Yeki jetzt erneut aufeinander. Die Kiefer des Shans schnappten nach einem der Vorderbeine des Yeki, doch gleichzeitig gelang es diesem, den Hals seines Gegners zu umklammern und sich darin zu verbeißen. Ein wütender Kampf entbrannte. Der Sand der Arena spritzte auf, als sich die beiden Ungetüme, zu einem Knäuel aus Leibern und Gliedmaßen verkeilt, über den Boden wälzten, wild zuckend und mit den Pranken um sich schlagend. Das ganze Gebäude schien in
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